GASTKOMMENTAR
: So einer kommt nicht weit

■ Zur Flucht des Wetzenstein-Ollenschläger

So einer wie der kommt nicht weit, selbst wenn er die 17 Millionen wirklich im Koffer hat. Das ist kein Angehöriger der Organisierten Kriminalität, dessen Untertauchen in der kriminellen Vereinigung geplant und abgedeckt wird und der jahrelang verschwindet. Vielmehr ist er ein Gelegenheitstäter, der zugelangt hat, als es ihm möglich war, um eine Scheibe am KoKo-Imperium für sich abzuschneiden. Schreibtischtäter wie er hätten das zu Zeiten des SED- und Stasi-Regimes nicht riskiert, um ihren Richterjob nicht aufs Spiel zu setzen. Wie er den in Form der Rechtsbeugung mißbraucht haben soll, ist ja auch weitaus schlimmer.

Interessant ist nicht, daß Wetzenstein-Ollenschläger den Mielke verteidigt hat, sondern vielmehr, daß Mielke ihn als seinen Verteidiger auswählte. So gut wie niemand wandelt sich sozusagen über Nacht vom gesetzestreuen Bürger zum flüchtigen Rechtsbrecher, das hat zumeist eine lange Vorgeschichte und entsprechende Connections (eine Ausnahme ist der Affekttäter). Aber im Affekt hat Wetzenstein-Ollenschläger kaum sein früheres Amt ausgeübt, wohl aber als „furchtbarer Jurist“, der „die Kontinuität des Negativen in der deutschen Justiz und folglich das Weiterwirken des Nazi-,Geistes‘ personifiziert“ (Rolf Hochhuth). Und mit seiner Flucht hat der wohl eher begabte Opportunist und unbegabte Jurist die sonst übliche Beweisnot etwas gelindert.

Zur Flucht braucht es Geld und/oder Freunde. So konnten sich der chauvinistische Hochstapler „Konsul“ Weyer (Geldgeber) wie auch Naziverbrecher (politische Gesinnungsgenossen) in Paraguay die Tür in die Hand geben und Diktator Stroessner ihren Freund nennen. Aber Wetzenstein-Ollenschläger ist Handlanger gewesen und gehörte nicht zur qualifizierten Riege der Untergrundkapitalisten à la Schalck-Golodkowski. Er beherrscht nicht das kapitalistische Metier, um sich mit 17 Millionen eine weiße Weste zu waschen, sondern wird sich in unserem System verfangen. Ob er zur Zeit in Rio Toronto oder in der Datsche im Spreewald sitzt, dürfte von seinen „Freunden“ abhängen. Aber so einer hält das nicht lange aus. Dieter Schenk

Freier Publizist, ehemals BKA-Kriminaldirektor und Autor von „BKA — Die Reise nach Beirut“