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Unken im Börsenkeller

Metall-Arbeitgeber jammern vor neuer Tarifrunde/ 1,5 Prozent gegen Steinkühlers neun Prozent gesetzt  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt/Main (taz) — Großer Katzenjammer war angesagt bei der Pressekonferenz der hessischen Metall-Arbeitgeber gestern in der Mainmetropole. Und deshalb ließ der seit Jahresbeginn amtierende Gesamtmetallpräsident Hans-Joachim Gottscholl im „Börsenkeller“ ein stilechtes Katerfrühstück auffahren.

Was den Unternehmern so schwer im Magen liegt, ist die von IG-Metall-Boß Steinkühler vor Monatsfrist anvisierte 9,5prozentige Lohnerhöhung für die Arbeitnehmer in der westdeutschen Metallindustrie. Die hessischen Arbeitgeber mit dem Verbandspräsidenten legten dagegen ihr Ziel „in der Nähe von 1,5 Prozent“ fest. Und selbst ein solcher Abschluß gehe bei den mittelständischen Unternehmen bereits an die Substanz. Doch keiner im Börsenkeller, auch Opel-Vorstandsmitglied Walter Schlotfeldt nicht, wollte das Rezensionsgespenst an die Wand malen.

Doch vor allem die Maschinenbauunternehmer und die Zulieferer für den Automobilbau drohten mit Entlassung, falls es auch in diesem Jahr zu solch „verheerenden Tarifabschlüssen“ wie 1991 kommen sollte.

Selbst das Paradepferd der deutschen Metallindustrie, der Maschinenbau, hat im zweiten Halbjahr 1991 einen Auftragsrückgang von bis zu 30 Prozent hinnehmen müssen, wurde im Börsenkeller ruchbar. Dem Sprecher der Gußhersteller, Dieter Reuber vom Direktorium der Fritz Winter OHG, waren bereits die von Gottschol genannten und am erwarteten Produktivitätszuwachs orientierten 1,5 Prozent Lohnerhöhung zuviel.

Moderat gab sich dagegen Opel- Arbeitsdirektor Schlotfeldt. Kein Wunder: Sein Unternehmen boomt, Opel verkaufte im letzten Jahr weit mehr Autos als prognostiziert wurde. Doch die Branche orientiert sich im Vorfeld der Tarifauseinandersetzungen am Zustand ihren schwächsten Glieder, nicht am Rüsselsheimer Schlachtschiff.

Eines blieb unberücksichtigt: Inflationsrate, Steuererhöhungen und Solidaritätszuschlag, die dafür sorgen werden, daß die Arbeitnehmer bei einem am Produktivitätszuwachs orientierten Tarifabschluß weniger Geld in der Lohntüte haben werden als im letzten Jahr. Steuerentscheidungen der Bundesregierung, unkte Verbandschef Gottschol, könnten doch nicht über Tarifabschlüsse korrigiert werden. Das Katerfrühstück ist angerichtet.

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