Werftarbeiter erwarten klare Aussagen

■ 3.500 Schiffbauer demonstrieren vor der Schweriner Staatskanzlei

Schwerin (dpa/taz) — Die Proteste ostdeutscher Werftarbeiter gegen die undurchsichtige Werftenpolitik der Schweriner Landesregierung setzten sich auch am Mittwoch fort. Vor der Staatskanzlei forderten gestern rund 3.500 Schiffbauer aus Rostock, Stralsund, Wolgast, Warnemünde und Boizenburg, die in einem Sternmarsch in die Landeshauptstadt gekommen waren, eindeutige Aussagen zur Zukunft der ostdeutschen Werftbetriebe. Auf Transparenten hieß es: „Wir kämpfen für den Erhalt der Region Küste“ sowie „Herr Gomolka, handeln Sie“. Ministerpräsident Alfred Gomolka (CDU), dem die Demonstration in erster Linie galt, war am Vormittag überraschend zu einem Gespräch mit Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) über die Werftenkrise nach Bonn gereist.

Mit zwei tonnenschweren Ankern blockierten die Arbeiter den Zugang zur Schweriner Staatskanzlei. Wirtschaftsminister Conrad-Michael Lehment und der stellvertretende Ministerpräsident Klaus Gollert (beide FDP) wurden mit einem Pfeifkonzert begrüßt. Die IG Metall kündigte eine Ausweitung der Protestaktionen an; Betriebsräte schlossen auch einen Streik nicht mehr aus. Der PDS-Vorsitzende Gregor Gysi forderte die Bundesregierung auf, in den Konflikt einzugreifen. Bonner Politiker müßten bei der Krise „genauso Verantwortung übernehmen wie einst bei der Werftenkrise in Westdeutschland“.

SPD und IG Metall warfen Ministerpräsident Gomolka vor, vor den Protesten der Schiffbauer nach Bonn „geflohen“ zu sein. Die SPD nahm ihre Oppositionsrolle wahr und forderte in Gestalt des Landesvorsitzenden Harald Ringstorff den Rücktritt der Koalitionsregierung von Mecklenburg-Vorpommern. Nicht das Werftenproblem scheine das Kabinett zu beschäftigen, sondern eine „Notreparatur“ des christlich-liberalen Bündnisses, sagte Ringstorff. Für die IG Metall war es „eine Unverschämtheit“ von Gomolka, statt seiner „seinen ahnungslosen Sozialminister ins Gefecht zu schicken“.

Der IG-Metall-Bevollmächtigte von Schwerin, Hermann Spieker, warf der Staatskanzlei zugleich vor, das Gerücht zu verbreiten, daß durch das Ausscheiden von zwei Kaufinteressenten eine Verbundlösung zur Sanierung der ostdeutschen Werften geplatzt sei. Dies bedeute jedoch lediglich, daß nun die von den Gewerkschaften befürwortete Lösung übriggeblieben sei, nämlich der „Paketverkauf der Werften in Rostock und Wismar sowie des Rostocker Dieselmotorenwerkes an den Bremer Vulkan“.

Inzwischen hat sich auch Bundeswirtschaftsminister Jürgen Möllemann (FDP) zu Wort gemeldet. Er halte nichts davon, erklärte er, die Ostseewerften nur an einen Investor zu verkaufen. Die Schlußfolgerung aus den gescheiterten DDR-Staatsfirmen könne nicht eine neue Staatsfirma sein.

Mit der Werftenkrise wird sich, wie es am Mittwoch in Bonn hieß, demnächst auch die Bundesregierung auf Beamtenebene befassen. Dabei soll es zu einer Abstimmung der in Schwerin und Bonn erarbeiteten Konzepte zur Sanierung der Werften gehen. Die letzte Entscheidung aber liege bei der Berliner Treuhandanstalt. Dazu stellte Treuhand-Präsidentin Birgit Breuel gestern in 'Bild‘ fest, die Politiker könnten durchaus ihre Vorstellungen unterbreiten. „Die Entscheidung fällt aber nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten.“ bg

Verbundlösung unwahrscheinlich

Bonn (taz) — Eine „Verbundlösung“ der Werftenkrise in Mecklenburg-Vorpommern gilt in Bonn als äußerst unwahrscheinlich. Sie wäre von der Zustimmung des Bundeskartellamtes, der Europäischen Kommission sowie — indirekt — auch der Bundesregierung abhängig, deren VertreterInnen eine zentrale Rolle im Verwaltungsrat der Treuhand spielen. Darauf machte gestern der Sprecher der Bundesregierung, Vogel, aufmerksam. Auch bei der CDU in Bonn sowie in der Vertretung des Landes Mecklenburg-Vorpommern beim Bund herrscht der Eindruck vor, daß der CDU-Landesvorsitzende, Bundesverkehrsminister Krause, diesen Sachverhalt bei seinem Vorstoß für eine Verbundlösung nicht berücksichtigt hat. Im Beisein Krauses fand gestern ein Krisengespräch zwischen Bundeskanzler Kohl und Ministerpräsident Gomolka statt, bei dem allerdings keine Entscheidungen getroffen wurden.