Ihr seid doch nur Farben, die singen!

■ Ein rauschendes Weilchen vor dem „Sturm“: Mit Sr. Eminenz Markus III. Lüpertz im Malersaal des Theaters

Endlich Lüpertz! Rauscht heran, Kommandos schleudernd links und rechts; wedelnd die Lüfte mit ringgeschmückten Gnadenhänden; flatternd hinter ihm Mantel und Gefolge, und schon liegt der Malersaal um ihn her wie unterworfenes Land: Grad so weit wie Lüpertzens Karfunkel gleißen, reicht jeweils sein Empire.

Ja, ausgerechnet unser Tobias Richter hat den köstlichen Pompanz weithergeholt, auf daß der

„Ich hasse Illusionen!“

ihm ein Bühnenbild male für den „Sturm“, die Oper, welche Richter jetzt am Goetheplatz als dero Hausherr selber herausbringt.

Am Sonntag ist Premiere, und im Bühnenhaus ziehen die Arbeiter schon großmächtig bemalte Tücher auf. Wir indessen hocken ein paar Irrgänge weiter in einem Winkel des Malersaals, hinter Ständern voller Kostüme, auch sie von Lüpertz persönlich roh bepinselt. Aber ach, auch die Frau vom „Stern“ wartet schon, höchstens zehn Minuten währt die Audienz: „Fragen Sie.“

Hm. Was ist jetzt auf die Schnelle zu wollen von diesem erlesen betuchten Kerl, der seit dreißig Jahren malt und meißelt und gießt und prunkt, als möchte gleich der letzte Vorhang fallen. Hat er denn Shakespeare gebüffelt, hat er sich zum Opernbühnenbildner fortgebildet? Aber nein, keine Rede, er geht „unbefangen heran“, sagt er, geradezu „ohne Rücksicht auf das Stück“, offenbart er lauthals und schlägt seinen Mantel zurück, der teurer ist als das meiste, was unsereiner noch für Sünde hält. Natürlich, den Shakespearestoff kennt er, „ein ziemlich wirres, dusseliges Stück“, natürlich, die Oper hat er gehört, welche der Schweizer Frank Martin draus gemacht hat, ja, die Musik und dazu seine Bilder, das sind dann schon zweie vom gleichen Schlag!

Und die andern am Theater, weißgott kaum geringere Geltungssüchtlinge, haben sie nicht mal gemeutert gegen den Potentaten? Bewahre, man hat ihn machen lassen. Sonst hätt man doch gleich einen Theatermenschen eingestellt, „der macht das sicher richtiger. Man hat aber mich geholt, den Maler.“ Und er, der Maler, hat mit seinen Formproblemen genug zu tun. „Ich bin Künstler.“ Aberaber, sag ich, Shakespeare ist auch kein Mäuschen! Na, sagt er, ob seine Kulisse zum Stück paßt, das werden die Leute ja sehen. Keine Debatten? „Doch, heftige Diskussionen, auch mit Richter, das ist ja schon einer, der seine Personen schützt!“

Vor zehn Jahren hatten die beiden schon miteinander zu schaffen: Da machten sie in Kassel zusammen eine Van-Gogh-Oper namens „Vincent“. Schon damals hatte Richter seine Leute zu schützen vor der Neigung des Bühnenbildes, sich der Szene zu bemächtigen. In Ulm aber hat Lüpertz 1983 ein Bühnenbild zum „Werther“ gemacht, das ist vor der Premiere noch schnell entfernt worden, „wegen Brutalität“, liest man. „Ja“, sagt Lüpertz und lacht, „die Sänger haben sich da einfach geweigert. Die wollten nicht.“ Da hat er sie angefaucht: „Ihr seid doch nur Farben, die singen!“ Ja, ich finde ihn großartig.

Er ist ja nicht nur ein Ganzkörpertheatraliker, er malt auch so: Klobige Farbflächen bändigt er zum elegantesten Pathos, jedes Bild ein Kurzschluß zwischen Formbewußtsein und Protze

Markus Lüpertz, inzwischen im Malerkittel, wie er letzte Zauberhand anlegt.Foto: Jörg Oberheide

kraft. Wenn einmal ganz schlechte Zeiten kommen, können wir die Blicke einstöpseln und haben Notstromaggregate für den Kopf.

Markus Lüpertz, geboren 1941 im böhmischen Liberec, hat schon als Bursch von zwanzig Jahren mittels seiner Malerei „die Anmut des 20. Jahrhunderts erfunden“, wie er mal schrieb. Nebenher metzt er Gedichte und seit 1981 auch Skulpturen: Einige erinnern an buntbemalte Sprengtrümmer, andere haben die Schreckkraft von pockennarbigen Salzteig-Rohlingen. Seit Jahren pendelt Lüpertz zwischen Berlin und Düsseldorf, wo er an der Staatl. Akademie eine Professur innehat.

Den Theaterbetrieb, den er hier wie anderswo vorfand, den fand er ziemlich lustig: „Die haben hier Pausen! Und plötzlich schmeißen die ihr Zeug hin und

hierhin bitte

den Maler, der

auf dem Boden hockt

und malt

gehn weg. Das ist ja alles dermaßen organisiert hier, dagegen hab ich zuhause eine lockere Bude. Da wird gearbeitet, solang ich's sage.“

Was zieht so einen ans Theater? Und zumal in den „Sturm“, dieses wandlungsreiche Zauberkunststück? Macht er eben, sagt er, die Kulisse extragrob und ag

gressiv: „Das muß auch aussehn wie Kulisse und zusammengeschustert. Ich hasse die Illusion.“ Umso mehr liebt er das Theater an sich, jedenfalls soweit es seines ist: „Das fasziniert mich ganz ungeheuer, wenn aus Farben und Formen Szenen werden: Wenn meine Bilder laufen lernen.“ Manfred Dworschak