Ein Schweinekotelett in Acryl

Die nächsten 39 Wochen sind gerettet: ab heute wieder „Golden Girls“, ARD, 23.00 Uhr  ■ Von Manfred Riepe

„Würde jeden Tag eine Folge ausgestrahlt“, so eine Kennerin aus Frankfurt, „dann bräuchte ich gar nicht mehr die Wohnung zu verlassen.“ Gemeint sind die Damen aus der nihilistischsten Wohngemeinschaft seit Ein Herz und eine Seele: die Golden Girls. Die sind jetzt wieder da. Zwar nicht täglich, aber die nächsten 39 Wochen immerhin je einmal.

Für Einsteiger: Die drei Torschluß-Singles Dorothy (Beatrice Arthur), Blanche (Rue McClanahan) und Rose (Betty White) wohnen zusammen mit Dorothys achtzigjähriger Großmutter Sophia (Estelle Getty) in Blanches Haus in Miami. Die notorisch frustrierte Seelsorgerin Rose betrachtet das Thema Männer mit unerschütterlicher Naivität. Blanche dagegen frönt einer eher manischen Einstellung zur körperlichen Liebe. Sie ist für gewöhnlich „so hibbelig wie eine Jungfrau beim Gefängnisrodeo“ (Lacher). Dorothy, die Zurückhaltendste und Vernünftigste, kommentiert mit scharf plazierten Bemerkungen das Treiben der übrigen, während ihre ebenso rüstige wie nekrophile sizilianische Großmutter Sophia mit fatalistischer Einsilbigkeit verbale Tretminen legt.

In der heutigen Folge gründen Rose und Blanche den „Elvis-Sexi- Hexi-Schmacht-und-Liebe-Fanclub“. Ein von Elvis angebissenes Schweinekotelett in Acryl wird als Reliquie herumgereicht, als Sophia vom Tod einer alten Freundin aus Brooklyn erfährt. Weil deren Mann Max einmal die Wocheneinnahmen des gemeinsam betriebenen Pizzastands beim Pferdewetten verjubelt hatte, hat Sophia 40 Jahre lang kein Wort mit ihm geredet. Als sich auf der Trauerfeier herausstellt, daß Max nur Sophias inzwischen selig verschiedenen Mann gedeckt hat, landen die beiden 80jährigen zuerst im Bett und dann vor dem Traualtar. „Wenn wir einen Fehler machen“, rechtfertigt Max den gewagten Schritt, „was macht das schon. Ehe wir es merken, sind wir tot“ (mehr Lacher).

Die „Golden Girls“ sind nicht das, was Adorno als kulturkritische Äußerung bezeichnet hätte. Aber der war auch nicht mit dem Problem konfrontiert, daß auf zwanzig verkabelten Kanälen kaum eine Handvoll guter Programme zu sehen sind. Die Golden Girls gehören zu jenen wenigen Seifenopern, die eine ästhetische Autonomie erreichen, indem sie somnambul die automatisierten Formen der Fernsehunterhaltung kurzschließen. Der Erfolg der Serie resultiert daraus, daß den vier Damen der Problemstoff nie ausgeht, weil sie ihn direkt aus der medial vermittelten Erfahrung des Alltags schöpfen. Wenn z. B. in der heutigen Folge Dorothy den Fanatismus von Roses und Blanches Elvis-Fanclub mit der PLO vergleicht, so entlarvt das Lachen über diesen ebenso schlagfertigen wie kruden Vergleich die Tatsache, daß komplexe politische Phänomene etc. keine konkrete Referenz mehr haben und unsere Alltagserfahrung nur noch als Wortspiel durchdringen. Doch statt wie die Resteverwerter der Frankfurter Schule die GG für dieses Manko verantwortlich zu machen, ist hier eher die Möglichkeit gegeben, Realität im Prozeß permanenter Enttäuschung zurückzugewinnen: Die Damen sitzen nämlich ständig vor dem Kühlschrank beim Frustfressen. Die berüchtigten Laugh-Tracks, die gewöhnlich das Lachen des gelangweilten Zuschauers vertreten, erfüllen bei GG ihre Antifunktion, indem sie überflüssig sind, denn hier sind die Gags ja gut (ganz viele Lacher).