: Istanbuls Heimspiel in Bremen
Das Viertelfinal-Hinspiel im Europapokal der Pokalsieger riß Werder Bremen in der letzten Viertelstunde gegen Galatasaray Istanbul mit 2:1 aus dem Feuer ■ Aus Bremen Markus Daschner
Gute Geschäfte schon vor Anpfiff des ersten Europacup-Viertelfinalspiels Werder Bremen gegen Galatasaray Istanbul: Obwohl das Bremer Weserstadion mit 30.000 Zuschauern längst nicht ausverkauft war, strich Werders Manager Willi Lemke rund 3,5 Millionen Mark durch Kartenverkäufe, Bandenwerbung und den Verkauf der Fernsehrechte an diesem Spiel ein.
Schlechte Geschäfte machten dagegen die Würstchenverkäufer in der Westkurve und Nordtribüne: Die türkischen Fans, nach UEFA-Vorschrift strikt von den grün-weißen Werderanern getrennt, hatten für die schweinischen Grilldelikatessen nichts übrig. Wer denkt schon vor einem Spiel an so etwas? Mehr Glück als die Würstchenverkäufer hatten die — zuletzt in Bremen wenig verwöhnten — Zuschauer: Endlich einmal konnten sie im Weserstadion ein rasantes Spiel verfolgen, knackigen Angriffsfußball mit vielen Torchancen von Werder Bremen sehen und schnelle Konter des Gastes vom Bosporus, der nichts zu verlieren hatte und kräftig mitmischen wollte. Ebenso wie die türkischen Fans: 20.000 Galatasaray-Freaks aus dem gesamten Bundesgebiet rissen den fliegenden Devotionalien-Basaren rot-gelbe Mützen, Stirnbänder, Wimpel, Fahnen und Aufkleber aus der Hand. Es war fast ein Heimspiel für Istanbul an der Weser. Zu allem Unglück mußte Werder ohne seinen Stammlibero Rune Bratseth auflaufen. Frank Neubarth übernahm dessen Rolle im Abwehrzentrum, in die Spitze hatte Trainer Rehhagel neben Marco Bode noch Wynton Rufer und Klaus Allofs aufgeboten. Doch der Bremer Angriff hielt nicht, was er versprach: Dem knappen Endergebnis von 2:1 steht ein Verhältnis der Torchancen von 89:1 gegenüber. Allein Marco Bode hatte in den ersten fünfzehn Minuten dreimal sichere „Abschlüsse“ auf dem Fuß, scheiterte aber an Istanbuls Torwart Hayrettin Demirbas oder an Schiedsrichter Listkiewicz, der ein Bode-Tor nach 15 Spielminuten wegen eines vermeintlichen Fouls nicht anerkannte. Istanbul agierte mit einer dichten Abwehr und einem zurückgezogenen Mittelfeld, aus dem heraus die beiden Spitzen Roman Kosecki und Arif Erdim schnelle Konterläufe starteten. So in der 32. Minute, als der Ball aus der türkischen Hälfte heraus weit nach vorne geschlagen wurde, Borowka unglücklich verlängerte, statt abzuwehren, und Kosecki mit dem Leder zum kurzen Sprint auf das Tor von Oliver Reck ansetzte: Aus 15 Metern schoß er den Ball dann aus halbrechter Position ins lange Toreck, das Bremer Weserstadion tauchte im gelb-roten Taumel unter.
Fußball verkehrt, aus Bremer Sicht: Ein Sturmlauf, wie ihn Werder in den letzten Bundesliga-Spielen für die Fans so schmerzlich hatte vermissen lassen, aber der Gast führte 0:1! Rehhagel brachte Stefan Kohn für Rufer und in der 55. Minute eine vierte Spitze mit Marinus Bester für Verteidiger Günter Hermann. Damit standen endgültig alle grün-weißen Fußballsignale auf Sturm: Neubarth hielt nichts mehr hinten, Harttgen, Eilts und Borowka, das Bremer Mittelfeld, rückten systematisch vor. In der 79. Minute endlich glückte einmal etwas: Ein Drehschuß von Stefan Kohn, Ausgleich. Sechs Minuten später ist Werder endgültig erlöst: Marinus Bester, der eingewechselte Amateur, trifft zum glücklichen 2:1. Werder hatte das Spiel so gerade noch einmal aus dem Feuer gerissen.
Für das Rückspiel am 18. März in Istanbul rechnet sich Bremen nun gute Chancen aus. „Wir haben in Tiflis vor 100.000 Russen gespielt, wir haben Erfahrungen aus Neapel und Mailand, da werden wir auch in Istanbul klarkommen“, erklärte Trainer Rehhagel nach dem Spiel betont gelassen. Gute Geschäfte dürften beiden Mannschaften ins Haus stehen: Istanbul erwartet ein ausverkauftes Haus, und Werders Spieler erwarten 25.000 Mark Prämie für den Einzug ins Halbfinale.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen