Metropopelis

■ Eine weltstädtische Zeitung kann in Berlin noch keine Auflage machen

Metropopelis Eine weltstädtische Zeitung kann in Berlin noch keine Auflage machen

Zwölf Zeitungen konkurrieren in Berlin täglich miteinander — außer der taz hat trotzdem kein anderes Blatt eine nennenswerte überregionale Auflage. Die Hoffnung des liberalkonservativen 'Tagesspiegel‘, zu der großen, meinungsbildenden Zeitung aus der Hauptstadt zu werden, die auch in Bonn, Hamburg oder München mit Interesse gelesen wird, hat sich bisher ebensowenig erfüllt wie die der 'Berliner Zeitung‘. Daran ändern auch die Beteuerungen des Herausgebers Erich Böhme nichts, seine Zeitung sei auf dem besten Wege, ein weltoffenes, liberales Blatt zu werden. Vom inhaltlichen Format einer 'Frankfurter Allgemeinen‘ oder einer 'Süddeutschen Zeitung‘ sind beide Blätter noch weit entfernt. Beide Zeitungen stecken zudem in finanziellen Schwierigkeiten, und der 'Tagesspiegel‘ hat das Pech, keinen großen Verlag im Rücken zu haben, der die Verluste ausgleicht.

Das Problem: Die BerlinerInnen finden Kiezberichte viel spannender als Reportagen aus der großen weiten Welt. Die große Gewinnerin des harten Konkurrenzkampfs auf dem Berliner Medienmarkt ist die von Springer verlegte 'Morgenpost‘. Die Auflage dieses Blattes steigt und steigt — wegen der Preisausschreiben, der täglichen Farbfotos mit niedlichen Motiven und der umfassenden Bezirksberichterstattung.

Die Masse der Berliner LeserInnen hat ganz anders auf die Öffnung der Grenzen reagiert, als es sich die Verleger dachten. Kaum war die Mauer weg, wurde der Kiez wieder wichtig— als Rückzugsgebiet, in dem man sich auskennt und nicht durcheinandergebracht wird. Wer will schon wissen, wo Kirgisien liegt, wenn er sich schon in der eigenen Stadt nicht mehr zurechtfindet? Ein bißchen mehr als „Spandau, Spandau, Spandau!“ darf's schon sein. Sobald es die großen Zeitungen aber wagen, über das Niveau einer 'Westdeutschen Allgemeinen‘ hinauszugehen, werden die BerlinerInnen überfordert.

Berlin ist keine Metropole. Berlin besteht aus zwei Stadthälften, deren EinwohnerInnen mit sich selbst beschäftigt sind. Ein Austausch findet nicht statt. Ostberliner Taxifahrer fahren abends im Osten herum, Westberliner Droschkenkutscher im Westen. Diejenigen Fahrgäste, die nach 20.00 Uhr abends die imaginäre Grenze überschreiten möchten, kommen nicht aus Berlin. Das sind Leute, die sich in Hochglanzbroschüren über sogenannte Geheimtips informiert haben. Wenn die Touristen dort landen, treffen sie ihresgleichen. Wessis und Ossis verkehren abends nicht miteinander, sie bleiben lieber unter sich. Solange das so ist, erscheinen in Berlin die Zeitungen, die die Hauptstadt verdient: Metropopelige Druckerzeugnisse, mit zwei Korrespondenten in Wilmersdorf und keinem in New York. Claus Christian Malzahn