Rambos gegen die islamische Gefahr

Serbische Jugendliche, die des Nachts an Barrikaden wachen, gehen tagsüber einer ganz normalen Beschäftigung nach/ Sie sehen die Serben als Bollwerk gegen ein „Maghreb in Europa“ an  ■ Aus Sarajevo Roland Hofwiler

Sie tragen Jeans, Lederjacken, Turnschuhe. Einer hat ein Bärtchen, ein anderer die Haare leicht gefärbt. Die jungen Männer fallen hier im Café des Hotels Europa nicht weiter auf, sind wie andere Teenager, die an den Tischchen miteinander reden. Sie sind nur etwas leiser. Denn bei ihnen handelt es sich um Rambos, Feierabendrevolutionäre und Barrikadenkämpfer, die mit der Waffe in der Hand des Nachts für die serbische Sache kämpfen. Offen gehen sie auf alle Fragen ein. Wie sie denn damit klar kämen, nachts Sarajevo zu terrorisieren, tagsüber aber wie jeder andere Bürger einer Beschäftigung nachzugehen? Was sie denn veranlasse, eine Waffe in die Hand zu nehmen? Wer bezahle sie dafür, die Geheimpolizei, die serbischen Politiker in Belgrad, die jugoslawische Bundesarmee?

„Gavrilo“ ist der Kopf der Gruppe. Das Pseudonym Gavrilo hat er sich in Anlehnung an den Attentäter Gavrilo Princip zugelegt, der am 28. Juni 1914 nicht weit von dem Café entfernt den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand erschoß und damit den Ersten Weltkrieg auslöste. Gavrilo lächelt: „Wir Serben haben aus der Geschichte gelernt. Obwohl wir in beiden Weltkriegen als Sieger hervorgegangen sind, hat man uns im Frieden immer wieder betrogen — jetzt schneiden die Ustascha-Faschisten und die Moslem-Fundamentalisten unsere Heimat in Stücke.“ Da sei es selbstverständlich, daß „wir uns wehren müssen“. Alle Serben seien einer Meinung, für die Wache an den Barrikaden „braucht uns niemand zu bezahlen“.

Darko, der sich als Philosophiestudent ausgibt, sieht zwischen den Serbenführern keinen großen Unterschied. „Slobodan Milosevic ist der Führer der alten Generation, Vuk Draskovic der der 68er und heutigen Jugend.“ Die Einheit hätte sich schon 1987 im Kosovo erwiesen. Damals wären der heutige Präsident Milosevic, der heutige Oppositionsführer Draskovic und der radikale Freischärlerführer Vojislav Seselj gemeinsam hingeeilt, um „den Albanaken [Albanern] eines auszuwischen“. Damals hätte niemand geglaubt, daß die Albaner ein Großreich aufbauen wollten, das Kosovo, Teile Mazedoniens, Griechenlands und Montenegros miteinschließen soll. Die serbischen Führer hätten das aber zu dieser Zeit erkannt.

„Damals hat Europa uns gewähren lassen, jetzt aber sind alle gegen uns und wollen den Staat Bosnien anerkennen“, beklagt Gavrilo sich, obwohl doch die Gefahr eines „Maghrebs in Europa“ größer geworden sei. Die militanten Moslems würden von der islamischen Welt mit Waffen versorgt. „Sie denken, die Zeit arbeite für sie“. In wenigen Jahren stellten die Muslimanen aufgrund ihrer hohen Geburtenrate die Mehrheit der Bevölkerung nicht nur in der Republik Bosnien, sondern auch in einem Teil der kroatischen Küste und dem serbischen Sandzak. Die Muslimanen Bosniens könnten sich sogar mit ihren albanischen Glaubensbrüder im Kosovo und in Albanien vereinigen. „Sicher ist jedenfalls, daß Albanien so heruntergewirtschaftet ist, daß es nur im Zusammenschluß mit den Kosovoalbanern und den Muslimanen überleben kann.“ Nur ein moderner serbischer Staat könnte dieser islamischen Gefahr entgegenwirken.

„Unsere Reihen sind geschlossen.“ Die Serben hätten mittlerweile viele Machtzentren in Bosnien-Herzegowina in der Hand, Teile der Medien, der Polizei, des Geheimdienstes und natürlich die Armee. „In den serbischen Gebieten wird jetzt der gesamte Staatsapparat, die gesamte Verwaltung von uns kontrolliert.“ Er gibt sich selbstsicher. Wer wollte verhindern, daß er den Kampf führen kann? Die Polizei? Die gemeinsamen Patrouillen aus Polizei und Armee fürchteten sie nicht. Die Spitzel des Geheimdienstes, die auch jetzt im Café anwesend seien? „Das sind doch Leute von uns!“ Keine Frage, der Krieg zwischen den Muslimanen und den Serben ist noch lange nicht vorbei. „Erst dann, wenn wir gewonnen haben.“