Eine Tankerflotte aus Rostlauben

Drei von vier Öltankern sind älter als 15 Jahre, hat die norwegische Seeleutegewerkschaft festgestellt  ■ Aus Oslo Reinhard Wolff

Es ist nur eine Frage der Zeit, wann neue schwere Tankerunfälle passieren. Zu diesem Schluß gelangt ein Rapport der norwegischen Seeleutegewerkschaft. Die Arbeitnehmervertretung hat in dem soeben veröffentlichten Bericht versucht, einen Überblick über das Alter und den Zustand der internationalen Tankerflotte zu geben. Das Ergebnis dürfte für die Ölgesellschaften nicht erfreulich sein: Die Flotte ist total überaltert.

Dabei sind schon die Einsatzjahre bereits ein wichtiger Hinweis auf das Gefährdungspotential, das von einem Schiff ausgehen kann. Vor allem, was die riesigen Stahlkonstruktionen der Supertanker über 200.000 Bruttoregistertonnen (BRT) angeht, so gehen Experten davon aus, daß diese nach zwölf Jahren reif zum Abwracken sind — und dies selbst bei regelmäßigem Wartungs- und Reparaturservice.

Die Seeleutegewerkschaft hat nun bei ihrer Untersuchung herausgefunden, daß drei von vier Supertankern, die auf den Meeren herumkreuzen, über 15 Jahre alt sind. Gigantische Ölkatastrophen, wie die durch die Rostlaube „Mega Borg“ 1990 im Golf von Mexiko oder durch die 18 Jahre alte „Haven“ im letzten Jahr im Mittelmeer, können dem norwegischen Rapport zufolge jederzeit geschehen. Allein schon das Alter der Schiffe und die dadurch bedingte Materialermüdung und Korrosion, so der Bericht, stellen ein ständiges Risiko dar. Und: Je größer die eingesetzten Supertanker sind, desto älter sind sie. Bei Schiffen über 300.000 BRT sind bereits 78 Prozent über 15 Jahre alt. Obgleich die Uraltkästen seit Beginn der siebziger Jahre ständig bewacht und gewartet werden müssen, sieht die Wirklichkeit ganz anders aus: Schiffskontrolleure haben es aufgrund der hohen Vergasung dieser Schiffe besonders schwer, ausreichende Überprüfungen vorzunehmen. Besonders für die bis zu 400 Meter langen Supertanker gibt es kaum noch entsprechend große Werftkapazitäten und Trockendocks, die zudem sündhaft teuer sind. So wird an allen Ecken und Enden gespart — vor allem bei den unter Billigflaggen registrierten Schiffen: Deren Anteil an Unglücken ist 114mal größer als der unter „seriöser“ Flagge laufenden Schiffe.

Die Zeiten, in denen immer größere Supertanker gebaut und entsprechend auch die Werftanlagen auf diese Riesen ausgelegt waren, gingen bereits Mitte der siebziger Jahre zu Ende. Seit 1977 wurden faktisch kaum noch große Tankschiffe gebaut. Der Kauf neuer Schiffe lohnte sich für die Mineralölkonzerne wegen der Frachtraten nicht mehr; die alten Kästen werden aber weiter gefahren, solange sie sich über Wasser halten. So wurde zwischen 1977 und 1988 kein einziger Öltanker verschrottet. Erst seit 1988 werden auch wieder kleinere und modernere Tanker gebaut, die zumeist auch gleich mit einem doppelten Boden ausgestattet sind. Diese Schiffe machen aber erst sechs Prozent der weltweiten Tankerflotte aus. Zieht man noch ihren Anteil an der Gesamttonnage in Betracht, fällt ihr Anteil noch geringer aus.