EG-Kommission hebt Zeigefinger

■ In Brüssel zeigen die Wettbewerbshüter zwar Verständnis für die besondere Lage der ostdeutschen Werften, drohen aber auch mit den Subventionsregeln beim Schiffbau/ Lehment (FDP): Katastrophe

Brüssel/Berlin (dpa/taz) — Die Werftenkrise an der mecklenburg- vorpommerschen Ostseeküste hat ein erstes deutliches Wort der EG- Kommission in Brüssel provoziert. In einem Donnerstag bekanntgewordenen Brief vom 3. März an die Bundesregierung haben die europäischen Wettbewerbshüter zunächst einmal alle staatlichen Beihilfen für die ostdeutschen Werften untersagt. Der für Wettbewerb und staatliche Beihilfen zuständige EG-Kommissar Leon Brittan präzisierte gestern, die Kommission warte auf ein Gesamtkonzept der Bundesregierung zur Sanierung der betreffenden Werften. Bis dahin dürfe „keine wie immer geartete Beihilfe legal gewährt werden“. Brittan äußerte sich aber auch verständnisvoll für die besondere Lage der Werften, allerdings müsse jegliche Entscheidung für die Gewährung staatlicher Beihilfen — egal in welcher Form — durch Brüssel genehmigt werden.

Das Schreiben der EG-Kommission war gestern vom Wirtschaftsminister des Landes Mecklenburg- Vorpommern, Conrad-Michael Lehment (FDP), dahingehend interpretiert worden, daß es einer „Katastrophe“ für den ostdeutschen Schiffbau gleichkomme. Nach Ansicht von Beobachtern könnten die Brüsseler Äußerungen das Aus für die angepeilte „Verbundlösung“ mit der Bremer Vulkan AG bedeuten.

In EG-Kreisen wurde dagegen darauf verwiesen, daß die Kommission lediglich ihre Position für eine Einhaltung der Subventionsregelungen im Schiffbau deutlich gemacht habe und bis zur Entscheidung der Bundesregierung weiterhin eine abwartende Haltung einnehme. Brittan in Brüssel: „Es ist mir klar, daß diese Werften für einige Zeit nicht mit dem gleichen Beihilferahmen operieren können wie Werften in anderen EG- Ländern.“ Deshalb sei er „grundsätzlich bereit, dem Ministerrat eine Sonderbehandlung für eine Übergangszeit vorzuschlagen.“ Aber jede EG-Entscheidung zur Billigung höherer Beihilfen in Mecklenburg- Vorpommern müsse von einem „realistischen Umstrukturierungsplan“ begleitet werden, der sicherstellt, daß diese Werften den gleichen Wettbewerbsgrad erreichten wie andere Konkurrenten in der Gemeinschaft.

Der EG-Brief dürfte auch Thema des Spitzengesprächs gewesen sein, zu dem sich gestern die Treuhand- Präsidentin Birgit Breuel, Ministerpräsident Alfred Gomolka (CDU) und Bundesverkehrsminister Krause, der in Schwerin gleichzeitig CDU-Landesvorsitzender ist, in Berlin getroffen haben. Aus Bonn waren die Staatssekretäre Horst Köhler (Finanzen) und Dieter von Würzen (Wirtschaft) angereist. Ein Ergebnis des Gesprächs lag bis Redaktionsschluß nicht vor.

Die IG Metall und die Belegschaften der besetzten ostdeutschen Werften beharrten gestern weiter auf der Verbundlösung, da sie die meisten Arbeitsplätze sichern würde. bg