Vier Tore zum Unerhörten

■ Ein neuer Zauber in der Weserburg: Mit Hans Otte in seinem Haus aus Klang

Mann im Sessel

Arme ausgebreitet

Hans Otte, hier in seiner Wohnung. Foto: Jörg Oberheide

Hoch schwenkt Otte den Arm: da kollert von überall ein Grollen heran; Otte macht einen Schritt: da bricht Donner aus und ballt sich und verhallt wieder. In Ottes Klanghaus, einem weiten, hellen Giebelraum unterm Dach der Weserburg, kann man Klänge beschwören wie Geister. 64 Lautsprecher in vier Toren aus Eisen stehen zu Diensten; an den Querträgern oben wachen Infrarot-Bewegungsmelder und lesen uns jede Regung vom Leib ab.

Ganze acht Stunden Rauschebänder hat er, sagt Otte, mittels

Analog-Synthi herstellen müssen: erst ein rosa Allerweltsrauschen, sodann moduliert, quasi eingefärbt mit Resonanzfiltern: bis er die rechten acht Abstufungen hatte. Jetzt kann, wer durch seine akustische Kapelle schweift, wunder was erhören: Es fängt meerestief an und hebt sich, man muß sagen: empor, und endet gegenüber mit einem hellen, kaum mehr hörbaren Singen.

Otte und ich, wir laufen umher und können nicht genug kriegen von diesem Windgebraus und Wellenbranden; wenn man stille

steht, legt sich's auch, aber der geringste Mucks kriegt gleich wieder Antwort gehaucht. Zwei, drei Leutchen können derart die wunderbarste Musik zusammenspazieren; wenn's viele werden, naja, sagt Otte und lacht, das gibt dann eben „großes Tutti“; es muß sich ungefähr anhören wie eine Steilküste bei Sturm.

Seit Jahren baut Otte Tief- und Hochtonräume und Intervallräume; dies aber ist sein erster nur aus Geräusch und zudem zu steuern durch bloßes Begehen: ein

Zwei, drei Leutchen können sich schon die wunderbarste Musik zusammenspazieren

Raum, der sein Inneres in Musik verwandelt.

Seit heute können Sie, so Sie wollen, in dieser Leere verschwinden. Hans Otte unterdessen ist schon wieder anderswo beschäftigt. Ende August beginnt in Schweden ein zweiwöchiges Festival ausschließlich mit Musik des Bremer Komponisten; außerdem wird er nächstes Jahr für die Hamburger Staatsoper ein Klangprojekt mit Sängern und Sängerinnen erarbeiten: da läßt er Lautsprecher rotieren auf großer Bühne und läßt Klänge sausen und nimmt Obertongesang dazu und fängt ihn ein mit seinen hochraffinierten Ringmodulatoren und mischt diesen Klang und multipliziert ihn und hat speziell daran, sagt er, „so ein Vergnügen“. schak