Jüdischer Kulturverein am Monbijouplatz

■ Hinter dem Alexanderlatz entwickelt sich langsam wieder ein jüdisches Leben/ In die Gegend, wo sich bereits das Beth Café von Adass Jisroel und das Café »Oren« der Jüdischen Gemeinde befinden, zog jetzt auch der Jüdische Kulturverein

Mitte. Noch vor ein paar Jahren hätte man nach Spuren lebendigen jüdischen Lebens lange suchen müssen. Das beginnt sich jetzt zu ändern, vor allem im Ostteil der Stadt, rund um die Neue Synagoge in der Oranienburger Straße.

Genau in der Gegend, in der in den zwanziger Jahren Zehntausende von armen jüdischen Schluckern — immer in Angst vor der Fremdenpolizei und mit Hoffnung auf ein Visum in die Vereinigten Staaten — lebten, tut sich wieder etwas. Da gibt es in der Tucholskystraße das Beth Café der Gemeinde Adass Jisroel, in dem man jüdische Tageszeitungen lesen und wechselnde Ausstellungen sehen kann, das koschere Café »Oren« in den Räumen der Jüdischen Gemeinde in der Oranienburger Straße und — nur einen Steinwurf entfernt — seit letzten Donnerstag am Monbijouplatz 4 den neuen Treffpunkt des Jüdischen Kulturvereins (JKV).

In den mit Fotografien, Sitzecken und Teppichen gemütlich eingerichteten Räumen im ersten Stock des Hauses sollen künftig Vorträge, Lesungen und Gespräche zu den Themen Exil, Jüdische Gelehrte in Berlin, Jüdische Literatur und Musik stattfinden. Jeden Donnerstag ab 17 Uhr ist »Wetscherinka«, das heißt »ein kleiner Abend« für die russischsprechenden Emigranten der Stadt. Geplant ist ferner eine »Schreibwerkstatt«, und ein Theaterkreis, fortgeführt werden die »Seniorennachmittage«, die speziellen Frauenkreise sowie die Betreuungsarbeit für jüdische Emigranten. Täglich von 11 bis 20 Uhr stehen die Türen allen Interessierten offen, es gibt Kaffee und Kuchen (die Spendenbüchse steht am Eingang), und jeden Freitag ist »Schabbat-Treff«. Der JKV gibt seit seiner Gründung vor zwei Jahren die 'Jüdische Korrespondenz‘ heraus, inzwischen abonniert von 700 Personen. Den Umbau und die Renovierung der großen Altbauwohnung finanzierte die Service-Gesellschaft »Zukunft im Zentrum« mit einem dicken Scheck. Für die Betreuung und die Organisation der kulturellen Veranstaltungen hat das Arbeitsamt dem JKV fünf ABM-Stellen bewilligt. Zwei dieser Stellen sind von jüdischen Emigranten aus der Sowjetunion besetzt.

In Finanznot wird der Verein trotzdem kommen, denn unklar ist noch, wie die monatliche Miete aufgebracht werden soll. Die Kultursenatsverwaltung hatte es, mit dem Hinweis auf die Zuwendungen an die Jüdische Gemeinde Berlin, im vergangenen Jahr abgelehnt, einen Förderungsantrag zu bearbeiten. Die Haltung der Verwaltung zeige, sagt JKV-Initiatorin Irene Runge, »daß dem Senat unklar ist, was jüdisch ist«. Er meine offensichtlich, daß Jude nur der sein kann, der auch die jüdische Religion pflege, »und sehe deshalb einzig und allein die Jüdische Gemeinde als vertretungsberechtigt in puncto Judentum an«. aku