»Josef« K. und die Stasi

■ »J.K.«, ein Film über den DDR-Historiker Jürgen Kuczynski

Initialen haben Konjunktur: nach J.F.K. wird nun J.K. buchstabiert. »J.K.« steht für Jürgen Kuczynski, den Gründer und bis zuletzt Leiter des Akademie-Instituts für Wirtschaftsgeschichte der DDR. Einer der führenden Köpfe des Systems also, der so klug war, sich im Hintergrund zu halten, und der doch nicht klug genug war (oder sein wollte?), das System, das er (oder das ihn?) bis zuletzt mit(er)trug, vor dem auch geistigen Bankrott zu retten.

Er war ein unbequemer Denker der Lage der Arbeiter (deren Geschichte er vierzig Bände widmete), ein Mann, der die bürgerliche Bequemlichkeit einer Hausbibliothek von sechzigtausend Bänden zu schätzen wußte. Die eigenen dreitausend Publikationen füllen auch schon an die fünfzigtausend Seiten. Neben wissenschaftlichen Abhandlungen auch so manche Seite des 'Neuen Deutschlands‘, die er von seinem Intimus Erich H. — dessen Souveränität er stets bewunderte — höchstpersönlich redigieren ließ. Ansonsten aber hielt er auf Distanz, vor allem auch zum eigenen Ich. Am liebsten war es ihm, wie in seinen Memoiren, hinter das Kürzel »J.K.« zurückzutreten: als Wissenschaftler und Parteisoldat, Dissident und Apologet des Kommunismus.

Kuczynski war während seines Londoner Exils Verbindungsmann zu sowjetischen Stellen, unter anderem für Klaus Fuchs. Fosco und Donatello Dubini stießen bei der Recherche zu ihrem Film über den Atomspion (1989) auf ihn. Sie machten zwei Interviews mit dem betagten Herrn, die letztlich bloß zeigen, daß die beiden »Urenkel aus dem Westen« der »Produktionsmaschine« mit dem gewinnenden Lächeln nicht gewachsen waren. Man kam ernsthaft ins Grübeln.

Das Resultat: weitschweifige strukturalistische Auslassungen über die Schwierigkeiten des Filmemachens. Zu neunzig Prozent. Macht einundachtzig Minuten, in denen (fast) nichts zu sehen ist. Quod erat demonstrandum?

Bleibt bloß noch die wahnsinnig originelle Idee, die magischen Initialen könnten ja auch für J wie Janka und K wie Kunze herhalten. Ergibt zusammen J.K. wie Josef K. Den Rest kennt, wer Schwierigkeiten mit der Wahrheit, Deckname Lyrik und eben Kafka kennt. »Wie kann man da ein Portrait machen?« fragen (sich) die Filmemacher. Der Antwort sind sie mit ihrem angestrengten »Experiment«, das sie mit bebender Kamera über unermeßliche Bücherberge stapfen ließ, keinen Schritt näher gekommen. Roland Rust

Fosco und Donatello Dubini: J.K. . Erfahrungen im Umgang mit dem eigenen Ich. Sprecherin: Corinna Belz. Musik: Heiner Göbbels, René Lussier. Dokumentarfilm, Farbe und s/w, 81 Min. Ab 5. März im Sputnik Kino Südstern, Kreuzberg