Berlin soll wie Hamburg werden

■ Innensenator Heckelmann legt umfassendes Konzept vor: drastische Stelleneinsparung, Reduzierung von Senat und Bezirken, Zentralisierung und Privatisierung von öffentlichen Dienstleistungen

Berlin. Der Tobak, den ihm der Innensenator servierte, war dem Regierenden Bürgermeister augenscheinlich zu stark. »Wehleidigkeit, Subventionierungsmentalität und Unbescheidenheit«, so konnte Diepgen am Donnerstag morgen einer Senatsvorlage Heckelmanns entnehmen, haben »nahezu alle Bereiche des politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens« in Berlin ergriffen.

Der Regierende sah sich veranlaßt, seine Berlinerinnen und Berliner gegen soviel Bürgerschelte in Schutz zu nehmen und attestierte ihnen postwendend noch am Nachmittag »Schnauze mit Herz, Weltoffenheit und Kritikbereitschaft«.

Dabei hätte er nur ein paar Zeilen weiterlesen müssen, um zu merken, auf wen das schwere Wortgeschütz eigentlich zielt. Elemente dieser Bewußtseinsbefindlichkeiten ortete der Innensenator »zwangsläufig« im öffentlichen Dienst, und diesen will er nun aufs Korn nehmen. Die häufig beredete, doch nie praktizierte Verwaltungsreform soll nun endlich in Angriff genommen werden. Heckelmann wird am Dienstag dem Senat einen umfangreichen Maßnahmenkatalog vorlegen, mit dem das Land Berlin binnen fünf Jahre auf ein Hamburg vergleichbares Maß gestutzt werde.

Bis dahin soll der Personalbestand in Senats- und Bezirksverwaltungen um 25.000 Stellen abgespeckt werden, ein Vorhaben, daß bereits im letzten Sommer angekündigt wurde. Doch Heckelmann weiß, »daß die Bereitschaft, den Worten auch Taten folgen zu lassen und Maßnahmen hinzunehmen, welche den eigenen politischen Status und die sozialen Besitzstände der jeweiligen Klientel mindern, nach wie vor außerordentlich gering ist«. Deshalb mahnt er seine Senatskollegen vorsorglich, daß eine Distanzierung von diesen Sparmaßnahmen »mit Blick auf die Klimapflege zu ihrer Klientel« sich verbiete. Tabubereiche dürfe es nicht geben, auch »politisch besonders sensible Bereiche wie Kitas, Schulen, soziale Betreuungsbereiche« müßten zur Einsparung beitragen.

Dem SPD-Landesvorsitzenden Walter Momper ist diese Liste allerdings zu unausgewogen. Momper vermißt die Tabubereiche Polizei und Innenverwaltung. In seinem Hause solle Heckelmann erstmal mit gutem Beispiel vorangehen, in den Stellenberatungen des Senats seien bislang außer Ankündigungen noch keine konkreten Vorschläge erfolgt. Angekündigt hat Heckelmann, daß bis 1997 jährlich 3.500 Stellen wegfallen sollen.

Kürzungspotential sieht er in den östlichen Bezirken, die über einen erheblichen Personalüberhang verfügen. Einsparen will er zudem in den östlichen wie den westlichen Bezirken, indem er sie zusammenlegt. Bei einer Reduzierung der Zahl der Bezirke von 23 auf 12, so rechnet Heckelmann vor, ließen sich bis zu 170 Millionen Mark jährlich einsparen. Ein paar Mark mehr würden es werden, wenn sein Vorhaben greift, die Zahl der Stadträte um ein bis drei zu reduzieren.

Dieser Vorschlag findet auch die Zustimmung des Bezirksbürgermeisters von Schöneberg, Michael Barthel (SPD). Doch hält dieser nichts von Heckelmanns Idee, zugleich wesentliche Kompetenzen der Bezirke in die Hauptverwaltungen zu verlagern.

Barthel will vor allem die Bauplanung und Durchführung straffen. Zudem soll ein zentrales Landesbauamt eingerichtet werden, um das Genehmigungsverfahren bei Regierungsgebäuden und Olympiabauten zu beschleunigen. Der Senat hatte noch vor kurzem eine solche planungsrechtliche Bevorzugung der Olympiavorhaben abgelehnt. Für »Bauvorhaben von besonderer Bedeutung« will der Innensenator zudem ein zentrales Baugenehmigungsamt einrichten und »vorurteilsfrei prüfen«, ob Generalunternehmer das Bauen nicht beschleunigen können.

Baustaatssekretär Frank Bielka (SPD) bezweifelt jedoch, daß das Heil des Baugeschehens in der bedingungslosen Zentralisierung liege. Er plädiert für eine Beteiligung der Bezirke, zumal diese gerade zugesichert haben, daß es bei der Planung für die zentralen Bauvorhaben keine Verzögerung geben werde. Auch der Grünen-Politiker Bernd Köppl steht Heckelmanns Zentralisierungsgedanken ablehnend gegenüber, sieht er dabei doch die Bürgernähe der Planungen gefährdet. Auch Heckelmanns Pläne, öffentliche Dienstleistungen zu privatisieren, stößt auf seine Ablehnung.

Der Innensenator habe die Erkenntnis gewonnen, daß Private oft günstigere Bedingungen aushandeln als die an die Vergaberichtlinien gebundene Verwaltung und will deshalb eine Reihe von Dienstleistungen an Privatunternehmen vergeben. Nach Köppls Einschätzungen seien damit jedoch nur Kostenreduzierungen zu erzielen, wenn sich die Arbeitsbedingungen der dort Beschäftigten verschlechterten.

In seltenem Einklang befinden sich jedoch beide Politiker, wenn es ans Eingemachte der Landesregierung geht. Heckelmann will, unter Köppls Beifall, die Zahl der Senatsressorts von jetzt fünfzehn auf zehn reduzieren. Doch Arbeitslosigkeit droht den politischen Spitzenkräften Berlins damit nicht. Denn an ihnen herrscht Mangel in der Stadt, seit in Brandenburg westlichen Beamten mit »nachgerade anstößig hohen Extrazuwendungen« die Arbeit versüßt wird. Dieter Rulf