INTERVIEW: Eine verfrühte Debatte
■ Gerhard Schmid, Vorsitzender der deutschen Sozialdemokraten im Europaparlament, zu Lafontaine
taz: Oskar Lafontaine hat angekündigt, er werde die Maastrichter Verträge in der vorliegenden Form „auf jeden Fall“ ablehnen und hat der SPD empfohlen, dasselbe zu tun. Was sagen Sie als SPD-Europaabgeordneter dazu?
Gerhard Schmidt: Lafontaine hat ökonomische Bedenken formuliert, über die das SPD-Präsidium auch Montag sprechen wird. Dann wird man sehen, ob man aus diesen Bedenken den Schluß einer Ablehnung der Maastrichter Verträge ziehen muß. Eine Variante, den Bedenken Rechnung zu tragen, wäre: Maastricht bedeutet nicht, daß die Bundesrepublik automatisch — ohne eine vorherige Zustimmung des Bundestages — in die dritte Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion eintritt. Wenn Lafontaine das gemeint hat, einverstanden. Seine Äußerungen sind bei einer Aschermittwochsveranstaltung gefallen, und man muß jetzt erst einmal sehen, was genau er gemeint hat.
Wenn die von der SPD geforderten Nachbesserungen der Verträge nicht zustandekommen — entweder weil die Bundesregierung sich erst gar nicht dafür einsetzt oder weil sie sie in der EG nicht durchsetzen kann — soll die Partei die Verträge dann ablehnen?
Der Punkt, darüber zu entscheiden, wird sicher irgendwann kommen. Ich halte es für verfrüht, das jetzt zu tun. Wir täten auch den Nachbesserungsbemühungen der Bundesregierung damit keinen Gefallen. Denn das stärkste Argument, das der Bundeskanzler derzeit gegenüber den EG-Partnern hat, ist eine störrische Opposition, die er zu Verfassungsänderungen im Zusammenhang mit Maastricht braucht. Im übrigen: Nachbesserungen bedeuten zunächst nicht, daß die Verträge neu verhandelt werden. Eine erneute Debatte im Bundestag — vor Eintritt in die dritte Stufe der Währungs- und Wirtschaftsunion — ist auch ohne eine Veränderung der Verträge möglich. Und es wird doch niemand ernsthaft politisch glauben, daß der Eintritt in die dritte Stufe 1999 möglich ist gegen einen Mehrheitsbeschluß des deutschen Bundestages. Interview: Andreas Zumach
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