„Festung Europa“ dichtgemacht

■ Hearing zum Thema Asyl / Anwalt Ohm: Die BRD wird nach 1993 flüchtlingsfrei

Volkert Ohm, Bremer Rechtsanwalt, zeichnete auf dem vom 'Bremer Aufruf gegen Abschiebung' organisierten Hearing „Festung Europa“ ein düsteres Bild: „Wir werden es nach Inkrafttreten des Schengener Abkommens hier in Deutschland nicht mehr mit Flüchtlingen zu tun haben“, die Bundesrepublik werde „flüchtlingsfreies“ Land. Ohm war einer der drei Referenten am vergangenen Samstag, als ca. 100 Interessierte der Einladung der Aufruf-Initiative gegen gegen die Abschottung Europas in das Bremer Kulturzentrum Schlachthof gefolgt wwaren.

Nach diesem europäischen Abkommen sollen ab 1993 die Kontrollen an den Binnengrenzen der Europäischen Gemeinschaft wegfallen, entsprechend sollen die Kontrollen an den Außengrenzen verstärkt werden. Das „Schengener Abkommen“ — der erste Vertrag europäischer Staaten stammt bereits aus dem Jahr 1985 — sieht erfordert dementsprechend eine Vereinheitlichung des Asylrechts auf europäischer Ebene, das haben die Regierungschefs Europas in Maastricht kürzlich auch vereinbart. Bis 1993 soll es in Kraft treten. Flüchtlinge werden dann dem Land zugewiesen, in dem sie ein Visum erhalten haben oder das sie bei einer Einreise ohne Visum durchquert haben. „Die Absicht ist nicht Integration, sondern die Abschreckung von Flüchtlingen“, betonte der Bremer Rechtsanwalt Dr. Holger Hoffmann.

Neben den politisch verfolgten Asylbewerbern wird in der Bundesrepublik immer wieder von „Wirtschaftsflüchtlingen“ geredet. Der Referent Res Strehle, Schweizer Ökonom, Journalist und Lehrbeauftragter der Hochschule St. Gallen, zeichnete ein ausführliches Bild der Weltwirtschaft als Ursache ökonomischer Fluchtgründe. Die drei Blöcke Nordamerika, Europa (EG) und ein Großteil der EFTA-Staaten sowie Japan haben nach seiner schematisierenden Darstzellung die Vorherrschaft in der Weltwirtschaft. Diese Handelsriesen konkurrieren untereinander, schotten sich aber gegen die äußeren Märkte der „Entwicklungsländer“ ab. Vorreiter sei hier die EG.

In den Ländern an der Peripherie der Blöcke herrsche systematischer Terror gegen die eigene Bevölkerung. In den Armutsgebieten der Welt werde häufig ein Krieg aller gegen alle geführt wie zum Beispiel in Somalia.

Die Industrieländer produzierten Armut und Gewalt in den ärmeren Ländern, von denen sie andererseits wirtschaftlich abhängig seien. Seit 1959 sind Werte von mindestens 20.000 Milliarden US-Dollar in die Industrieländer geflossen. Ein Beispiel: Hätte die Bundesrepublik sonnig- südliches Klima und könnte Kaffee im eigenen Land anpflanzen, müßten wir für das Kilo Kaffee satte 280 DM hinblättern ... Schlußfolgerung von Res Strehle: „Wir müssen gegen die Flucht- und Emigrationsgründe Widerstand leisten.“

Von dieser Einsicht ist die derzeitige deutsche Politik freilich weit entfernt. Die Rechte der Asylbewerber sollen durch das neue Asylverfahrensgesetz weiter abgebaut werden, das voraussichtlich am 1. Mai in Kraft treten wird. Die neu angekommenen Flüchtlinge müssen in Sammellagern, ohne Möglichkeit, sich zu informieren, sofort einen Asylantrag stellen. Im Schnellverfahren findet eine Anhörung durch einen Prüfer statt. Dafür sind unter anderem in einem Schnellkurs ausgebildete ehemalige Beamte der Kreiswehrersatzämter vorgesehen. Nach einer Woche entscheidet dann ein einziger Richter über den Antrag. Es besteht auch kaum noch Möglichkeit, einen Anwalt zu nehmen. Die Asylbewerber erhalten dann statt Sozialhilfe Sammelverpflegung. Kein Geld — kein Anwalt? „Wir hoffen auf die Kirchen“ meint Anwalt Dr. Hoffmann.

Wenn das Schengener Abkommen in Kraft getreten ist, werden freilich nur noch wenige Flüchtlinge überhaupt bis zu den deutschen Sammellagern vordringen. Die wackeren Österreicher etwa haben ihr Bundesheer bereits an der Grenze zum früheren Jugoslawien aufmarschieren lassen - mit scharfer Munition. Gabriele Heepen