Rias2 siecht weiter

■ Wer adoptiert das verwaiste Rundfunk-Team?

Berlin (taz) — Gibt es eine Möglichkeit, das Programm von Rias2 in öffentlich-rechtlicher Form fortzusetzen, obwohl sich der Berliner Kabelrat — als entscheidende Instanz — für die private Variante entschieden hat? Eine Antwort auf diese Frage suchten die Mitglieder des Medienausschusses des Abgeordnetenhauses am Freitag. „Ein dreiviertel Jahr“, so das geladene Kabelratsmitglied Winfried Fest (CDU), habe sich das Gremium „um Adoptiveltern“ für das nach der Einheit verwaiste Rias2-Team bemüht. Die Wunscheltern ORB und SFB hätten zwar Interesse gezeigt, jedoch keinen förmlichen Antrag auf Übernahme gestellt. Der SFB sei „im Grundsatz durchaus bereit, Rias2 als Programm fortzuführen“, widersprach der ebenfalls anwesende SFB-Justitiar Wolfgang Mittas und fügte zur Verblüffung aller Anwesenden hinzu, der SFB habe doch einen Antrag gestellt, „ohne allerdings den Ausdruck Antrag zu benutzen“. Gerhard Hirschfeld, ORB-Hörfunkdirektor, kündigte den zunehmend verwirrter dreinschauenden Abgeordneten an, daß er in der kommenden Woche einen förmlichen Antrag stellen werde, schließlich sei Rias2 nach Antenne Brandenburg das beliebteste Programm im Lande. Daß der ORB als Brandenburger Anstalt gar keinen Antrag für eine Berliner Frequenz stellen kann, stört ihn dabei genausowenig wie der Hinweis, daß die Antragsfrist bereits im November abgelaufen ist. Änderungen, so der Direktor der Anstalt für Kabelkommunikation, Dr. Hans Hege, könnten jetzt nur noch in Form staatsvertraglicher Regelungen getroffen werden. Der frisch unterzeichnete Medienstaatsvertrag Berlin/Brandenburg beinhaltet allerdings keine solche Regelung. Am kommenden Freitag befaßt sich der Kabelrat das nächste Mal mit dem Thema „Rias2“. Auf der letzten Sitzung hatte das Gremium eine Vorauswahl unter den Bewerbern getroffen. Im Rennen sind noch das Konsortium um den Ex-Rias2-Intendanten Peter Schiwy und eine Gruppe um den Konzertveranstalter Peter Schwenkow. Dem Vernehmen nach soll diese Vorentscheidung von drei der fünf Kabelräte getroffen worden sein. Lizenzen können aber nur von einer qualifizierten Mehrheit von wenigstens vier Stimmen vergeben werden. Eine definitive Entscheidung wird zudem nur dann fallen, wenn das Land Brandenburg damit einverstanden ist, daß das Berliner Gremium die reichweitenstarke Frequenz vergeben kann.

So wächst von allen Seiten der Druck auf die Brandenburger, die Zustimmung zu verweigern: Die privaten Anbieter fürchten die neue Konkurrenz, SFB und ORB wollen eine zusätzliche Frequenz, Grüne/ Bündnis90 und SPD favorisieren die öffentlich-rechtliche Lösung, und der Kabelrat käme um eine auch intern umstrittene Entscheidung herum. Die Verantwortung für den schleichenden Tod von Rias2 müßten dann die Brandenburger tragen. mail