„Ich bin doch nicht der Clown“

Henry Maske und sein Trainer Manfred Wolke wollen den Ruf des Priofiboxens im Westen wieder aufmöbeln: Mehr Hirn als Oberarmumfang und ein sachverständiges Publikum statt der Halbwelt  ■ Aus Berlin Michaela Schießl

Zuvorkommend nimmt er für den Fotografen den Eisbeutel von der lädierten Backe, wischt sich eilig den Schweiß vom Gesicht, lächelt gewinnend und antwortet geduldig und in ganzen Sätzen. Keine Frage, Henry Maske ist ein netter Kerl. Und er ist Profiboxer. Und wild entschlossen, seinen Sport zu läutern. Nicht als sendungsbewußter Prediger wie viele seiner US-Kollegen, die erst das Himmelreich strapazieren, bevor sie in die Hölle des Rings steigen. Maske liebt es schlichter. Sein in diesen Kreisen schon fast peinliches Credo: Ehrlichkeit und Leistung.

Vor zwei Jahren ist der Ex-Olympiasieger aus Frankfurt/Oder von der spartanischen Realität des Amateurboxens in die Glimmerwelt der Profis eingetaucht. Unter dem Management vom damaligen Rocchigiani-Promoter Wilfried Sauerland trat er erstmals in verrauchte Hallen vor blutrünstiges Publikum und goldkettchenbehängte Halbweltler. Und kämpfte, wie Amateure eben kämpfen: Siegen über sicheres Punkten. Ohne Show, ohne große Sprüche, und ohne den publikumsträchtigen „Killerinstinkt“, dafür mit nahezu perfekter Technik und geschmeidiger Beinarbeit. Den Zuschauern, vornehmlich denen im Goldanzug in der ersten Reihe, mißfiel der artige Henry. Sicher, er gewann, aber langweilig. Ohne spektakuläre Knockouts, ohne offene Augenbrauen, mit ungebrochener Nase. Lieber ließ man in Berlin den verruchten, derben und milieunahen Grace Rocchigiani hochleben. Doch die Antipathie war beidseitig. Maske: „Mich enttäuscht, das unsere Sportart in den alten Bundesländern nicht annerkannt ist. Da haben allerdings auch die Aktiven Schuld mit ihrer Einstellung, schnell ein paar tausend Mark zu machen, obwohl vielleicht Training und Qualifikation fehlen. Das Box-Verständnis in der früheren DDR ist größer, weil das bei uns ein anerkannter, erfolgreicher Sport war.“

Den guten Ruf des Boxens im Westen wiederherzustellen ist das erklärte Ziel Maskes und seines Trainers Manfred Wolke. Ihr Weg: Leistung, Leistung, Leistung — und ein positiv besetztes Image. „Ich habe ihn Gentlemen-Henry getauft und will, daß sich das Bild durchsetzt“, betont Wolke. Tatsächlich paßt der Spitzname zu Maske: Klug und wohlerzogen wirkt er auch im Ring. Notgedrungen, denn ihm fehlt ein wirklich harter Schlag. Perfekt in der Bewegung und genau in der Plazierung, wirkt er geradezu zögerlich, wenn er den Gegner chancenlos an den Seilen festgenagelt hat. Ein, zweimal setzt er nach, doch lieber rückt der Rechtsausleger zurück und zermürbt sein Opfer langsam.

Auch den halbschweren Ex-Weltmeister Leslie Steward (31) machte er am Freitag nacht in Berlin eher langsam müde. Von Anfang an brachte er den übergewichtigen und konditionsschwachen Mann aus Trinidad zum Wackeln, verschonte ihn jedoch bis zur siebten Runde. Dann, quasi als Zugeständnis an das wild den k.o. fordernde Publikum, schlug er den lustlosen Steward per Leberhaken entgültig zu Boden — sein 15. Sieg im 15. Profikampf. „So ungefährlich war der gar nicht“, erklärte der leicht erkältete Maske später seine Taktik. „In einen Schlag laufen sollte man ihm nicht. Ich habe auf meine Chancen gewartet.“ Bubi Scholz gab ihm recht: „Bei Steward darf man nicht so viel einfangen. Da kann das Publikum fordern, was es will, der Henry macht das schon richtig, nicht so kopflos nachzugehen.“

Ohnehin sei Härte nicht so entscheidend wie Technik und Genauigkeit, meint Maske, immer wieder auf seinen fehlenden harten Punch angesprochen, „der Oberarmumfamg ist weniger wichtig“. Gewissenhaft will er sich nun auf den Weltmeisterschaftskampf am 27. Juni gegen Charles Williams in der Berliner Deutschlandhalle vorbereiten. Sein letzter Prüfstein: Am 4. April in Düsseldorf gegen den Engländer Steven McCarthy. Bis dorthin wird daheim in Frankfurt in altbekannter Umgebung fleißig gesparrt.

Unterstützung findet Maske mittlerweile sogar in Berlin. Die ersten Reihen sind mit ganz normal anmutenden Menschen besetzt, gut zwei Drittel der 1.800 Zuschauer am Freitag waren aus dem Osten. Doch ein Umzug nach Berlin ist Maske ebenso zuwider wie das Anbiedern an das herkömmliche Profiboxsportpublikum. „Wir können nur so, wie wir können. Ein bißchen Show für den Fan ist okay. Aber überzeugen kann man nur durch Leistung. Ich bin doch nicht der Clown.“