QUERSPALTE
: Schwarze Schafe überall

■ Die Zeit ist reif für Großrazzien, Kollektivüberprüfungen und Gruppenbezichtigungen

Warum immer nur das Negative sehen? Positive Vorbilder braucht das Land! So eines wie das kleine, durch und durch sozialdemokratische Schleswig-Holstein. Was einzelne Städte schon im kleinen vorgeführt haben, ordnete das Land zwischen den Meeren gleich landesweit an: Asylbewerber — qua Herkunft schon dem Mißbrauch von Rechten und dem Erschleichen von Sozialleistungen nicht abhold — wurden zum Zählappell vors Sozialamt geladen.

Bravo! lobt der Vorsitzende des Bonner Innenausschusses, der SPD-Abgeordnete Gotfried Bernrath, schafft viele, viele Schleswig-Holsteins! Bravo! schoben der CDUler Erwin Marschewski und Burkhard Hirsch von den Liberalen nach. Das sei ein praktikabler Weg, um dem jährlichen Sozialhilfe-Mißbrauch in Millionenhöhe Einhalt zu gebieten.

Miesmacher werden einwenden, daß solche Zählappelle eine Diskriminierung der Flüchtlinge seien. All die gutgemeinten Plakataktionen und Bündnisschließereien gegen Ausländerfeindlichkeit seien durch diese Kriminalisierung wieder für die Katz. Doch warum nicht das Positive, das Vorbildspendende in diesem Vorschlag erblicken? Die Grundidee ist denkbar einfach, warum sie nicht verbreitern? Um die wenigen schwarzen Schafe zu sichten, lädt man die ganze Herde vor. Und an schwarzen Schafen mangelt es uns doch wirklich nicht: Beginnen wir den Zählappell auf der Führungsetage der Firma Siemens. Dort haben leitende Mitarbeiter — neun an der Zahl — Angestellte der Münchener Stadtverwaltung bestochen — mit Beträgen, von denen sozialhilfebeziehende Asylbewerber nur träumen können. Gemessen an der Mitarbeiterzahl in der Konzernspitze ist die Zahl neun immerhin ein erklecklicher Prozentsatz. Eine präventive Kriminalisierung aller Siemensianer ist mit Fug und Recht also angebracht.

Beträchtliche kriminelle Energie lauert auch im kleinen, gemeinen Manne. Die Gemeinschaft der Hausrats-, Reise und Haftpflichtversicherten — ein betrügerisches Pack. Das Heer der Computer-, Video- und CD-Piraten, das mit Billigkopien teure Ware erschleicht, die Banden von „Sozial“-Mietern, die sich mit perfiden Tricks um die Fehlbelegungsabgabe drücken, sie alle müßte man sich mal zur Brust nehmen. Und auch wir Journalisten bekennen: Es hat sich manch eine/r in unseren Reihen mit dem Presseausweis einen Gratisabend in der Deutschen Oper verschafft. Die schwarzen Schafe lauern überall und richten Milliardenschäden an.

Die Zeit ist reif für Großrazzien und Zählappelle, für Kollektivüberprüfungen und öffentliche Gruppenbezichtigungen. Freuen wir uns schon jetzt auf die kilometerlangen Schlangen vor den Finanzämtern. Wenn erst sämtliche Bank- und Sparkassenkunden mit ihren Sparbüchern antreten müssen, das wird eine Gaudi! Schließlich geht es dabei um unterschlagene Zinssteuern in Höhe von 15 Milliarden Mark. Asylbewerber, das darf getrost vermutet werden, wird man in dieser Schlange nicht antreffen. Vera Gaserow