„Nun flieget hinaus in alle Welt“

Evangelische Missionare aus Deutschland unterstützen indonesische Holzhändler und Militärs in Irian Jaya  ■ Von Hermann-Josef Tenhagen

Wuppertal (taz) — Missionare der Vereinigten Evangelischen Mission (VEM) haben einen guten Teil Irian Jayas — das 1963 nach dem Abzug der holländischen Kolonialherren von Indonesien annektierte frühere West-Papua — für das indonesische Militär und internationale Holzhändler erschlossen. Um die animistischen Völker Papuas zu bekehren, drangen die Sendboten Gottes seit Anfang der sechziger Jahre bis in die entlegensten Teile Irian Jayas vor und legten Landepisten an. „Es ist wie im 16.Jahrhundert“, charakterisierte der ehemalige Missionspilot Theo Frey am Freitag auf einer Veranstaltung in Wuppertal den christlichen Religionsimperialismus.

Frey hatte im Auftrag einer der Missionsfluggesellschaften auf West-Papua gearbeitet, mußte jedoch nach seiner Weigerung, indonesische Militärs zu fliegen, aus West-Papua fliehen. Die indonesischen Streitkräfte führen seit 1969 einen blutigen Vernichtungskrieg gegen die Freiheitskämpfer der „Operasi Papua Merdeka“, Operation Freies Papua. Zehntausende von Papua haben sich nach Massakern indonesischer Soldaten in das benachbarte Papua-Neuguinea gerettet. Frey selbst flüchtete nach Sabotageakten an seiner Maschine und anonymen Morddrohungen gegen ihn 1988 mit seiner Familie nach Australien. Nach wie vor sei Irian Jaya ein „Tummelplatz für Missionare“, berichtete der Pilot, der sich inzwischen als Repräsentant der Befreiungsbewegung in der Schweiz versteht. Rund 700.000 Mark sollen beispielsweise 1992 aus der Missionszentrale der VEM in Wuppertal nach West-Papua fließen. 80.000 Mark davon sind in diesem Jahr für neue, größere Transportflugzeuge vorgesehen. Verschüttet und zerstört wurde die Kultur der dort lebenden indigenen Völker und zunehmend auch ihre natürliche Umwelt.

Indonesien ist nach Brasilien der größte Tropenholzexporteur der Welt, und die Ausplünderung von Irian Jaya, welches die letzen großen Primärwälder des Planeten beherbergt, kommt jetzt in Gang. Der Export von Tropenholz und anderenRohstoffen aus der 23. Provinz Indonesiens bringt nach Angaben der Regenwaldschützer 500 Millionen Dollar im Jahr ein.

Die VEM, eine Tochter der rheinischen und westfälischen Landeskirche mit einem Budget von 23 Millionen Mark aus Kirchensteuergeldern und Spenden, reagierte am Wochenende in Wuppertal ausgesprochen allergisch auf die Kritik, sie würde zum Untergang der Völker Irian Jayas und zur Zerstörung des Regenwaldes dort beitragen. Umweltschützern warf derPressesprecher der Mission, Hermann Bollmann, Stasi-Methoden inder Verunglimpfung der Kirche vor. Die Missionsgesellschaft, die ihren finanziellen Beitrag für die Flugzeuge und damit für Militärtransporte leistet, kann sich angeblich nicht erklären, weshalb Regenwaldschützer das Thema Befreiungsbewegung in West-Papua mit dem des Regenwaldes mischen. Frey versuchte zu erklären: „Damit [mit den Flugzeugen, d.Red.] werden auch das Militär, die Waffen und die Munition dort in die Berge hinauftransportiert.“ Doch die Missionsmitglieder wollten ihre Arbeit nicht grundsätzlich in Frage gestellt sehen. „Solange es Christen gibt, die sagen, Kirche ist ihrem Wesen nach Sendung“, werde es auch solche Missionen geben, erklärte Burckhard Ohnesorge, der selbst drei Jahre in Irian Jaya wirkte.

„Eile ist insofern geboten, da sonst zu befürchten ist, daß die Katholiken, die seit 1905 in West-Neuguinea arbeiten, dort mit der Arbeit einsetzen könnten..., meinte die Mission bereits 1959. Einer der ersten Missionare, Siegfried Zöllner, räumt freilich ein, daß die indonesische Polizei 1968 den Mord an zwei amerikanischen Missionaren zu einer Strafexpedition nutzte. Die Kirchen - und hier nicht nur die VEM - nahmen solche Aktionen billigend in Kauf. Und nicht nur das: Sie unternahmen einem ausführlichen Bericht der Zeitschrift 'Ökozid‘ zufolge auch selbst Expeditionen unter dem Schutz der bei den Papua verhaßten Polizei. Zöllner war 1970 selbst bei einer „Gottes“-Expedition in abgelegenen Täler dabei, während der es zu Feuergefechten mit Papuas kam.

Pressesprecher Bollmann erklärte zum Vorwurf, daß die Missionare ursprüngliche Kulturen zerstörten: „Die Begegnung mit dem Evangelium erschließt ihnen eine neue Wirklichkeit, die es ihnen ermöglicht, mit den neuen Techniken umzugehen.“ Frey hielt dagegen: „Wo der Fernsehapparat läuft, erzählt die Großmutter nicht mehr, und wo die Großmutter nicht mehr erzählt, verschwindet die Tradition.“

Die Regenwaldgruppen hatten die Militärflüge in rund vierzig Missionsflugzeugen verschiedener Kirchen angeprangert, sie hatten auch auf die Erschließung eines Teils Irian Jayas durch die VEM hingewiesen. Dreihundert Landepisten, so erklärten sie, seien inzwischen in Irian Jaya angelegt. Und 80 Prozent davon würden nur von Missionsmaschinen angeflogen. „Wissen Sie, wie der Fernseher in die Berge kommt“, fragte Frey, und antwortete selbst: „Mit Missionsmaschinen.“

Zu allem Überfluß, so der Papua- Freund Frey, würden jetzt auch die Holzhändler mit den Missionsflugzeugen in das Gebiet eindringen und sich aus der Vogelperspektive die lukrativsten Primärwälder zum Schlagen aussuchen. Frey: „Die Flugzeuge werden gegen gutes Geld auch den Konzernen zur Verfügung gestellt.“ Der Dollar in der Kasse klingt, die Seele in den Himmel springt.