Mobilisierung gegen Milosevic

Zum Jahrestag der blutig niedergeschlagenen Großdemonstrationen gegen den Kommunismus hat die serbische Opposition heute dem Regime von Milosevic erneut den Kampf angesagt  ■ Von Jozsef Bata

Durch eine Großdemonstration will die serbische Opposition heute den Sturz des Präsidenten Slobodan Milosevic einleiten. Hunderttausende wollen vor dem Parlament demonstrieren und den Opfern des Krieges gedenken. Die Regierung, so die Opposition, sei Schuld am Niedergang Serbiens. Unter dem Motto „Ihre Unterschrift rettet Serbien“ startete die zweitgrößte Oppositionspartei „Demokratska Stranka — Demokratische Partei“ (DS) schon Anfang Februar eine Kampagne gegen das jetzige Regime der alleinregierenden Sozialistischen Partei Serbiens (SPS) und den Präsidenten. Bisher sollen allein in der Hauptstadt Belgrad über 200.000 BürgerInnen ihr „ja“ zum Sturz des Milosevic-Regimes gegeben haben. Die Aktion hat auch in anderen Teilen Serbiens Erfolg.

Die größte serbische Oppositionspartei, die „Serbische Erneuerungsbewegung“ (SPO) kündigte für heute an, auf den Platz vor der serbisch-orthodoxen Kirche Syeti Sava in Belgrad nur „bewaffnet“ mit brennenden Kerzen und Blumen friedlich zu demonstrieren und selbst 10.000 Ordner zu stellen. Beginnen soll die „Zeremonie“ wie vor einem Jahr um zwölf Uhr Mittag. Damals hatten mehr als 200.000 Menschen gegen Milosevic demonstriert. Und kein Geringerer als der serbisch-orthodoxe Patriarch Pavle wird in einem Gottesdienst der zwei Toten gedenken, die im Vorjahr nach dem Einsatz von Panzern der jugoslawischen Volksarmee gegen die Demonstranten zu beklagen waren. Die Kerzen sollen jedoch auch für die zahlreichen Opfer des jüngsten serbisch- kroatischen Krieges brennen.

Gründe für den Wunsch nach einem „Kurswechsel“ in Serbien gibt es genügend: der von der jetzigen Regierung in Gang gesetzte Krieg gegen Kroatien mit enorm hohen Verlusten an Menschenleben, die daraus resultierende internationale Isolierung Serbiens, die sozialistische Mißwirtschaft, das immer größer werdende Elend in Serbien und nicht zuletzt auch die Tatsache der schweren Niederlage der Oppositionsparteien bei ersten pluralistischen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im Dezember 1990. Milosevic siegte damals mit 65,3 Prozent über Vuk Draskovic (16,4 Prozent). Bereits damals wurde die Regierung der Wahlmanipulation beschuldigt.

Die Kriegsgeschehnisse und vor allem ihre Folgen scheinen dem Großteil der serbischen Opposition, wenigstens den demokratisch gesinnten Gruppierungen, zum Umdenken „verholfen“ zu haben. Der Satz: „Überall wo es serbische Gräber gibt, dort ist Serbien“, kam noch vor zwei Jahren aus dem Munde Vuk Draskovic'. Der Oppositionsführer gibt sich heute gemäßigter und paktiert mit dem Thronprätendenten Alexandar II. Karadjordjevic. Jetzt fordert er die die parlamentarische Monarchie, vorgezogene Neuwahlen unter der Aufsicht Alexandars. Seine jüngsten Äußerungen signalisieren aber auch Dialogbereitschaft mit den Kosovo-Albanern und sie beinhalten Sicherheitsgarantien zur Einhaltung der Rechte der ungarischen und anderen Minderheiten in der serbischen Provinz Wojwodina. Gegenüber dem kroatischen Wochenblatt 'Danas‘ sagte er: „Ich wünsche mir wahrlich den Frieden. Nie habe ich den Krieg provoziert und gehöre nicht zu den Menschen, die daran glauben, mit Krieg irgendetwas ändern zu können. Wir Serben haben in diesem Krieg unsere Hände mit Blut besudelt.“

Draskovic und seine Partei treten für die Gründung eines unabhängigen und demokratischen Staates Serbien und einer serbischen Armee ein, die professionell und nicht iedologisch sein soll. All dies habe bisher die jetzige Regierung verhindert, weil „das serbische Regime“, so Draskovic, „seine Macht allein in einer kommunistischen Armee, in einer kommunistischen Polizei und in einer kommunistischen Rechtsprechung sieht.“

Die „Demokratische Partei — Demokratska Stranka“ (DS), die nun als Initiator der Anti-Milosevic-Kampagne aufgetreten ist, soll nach Meinung einiger anderer Oppositionsparteien das im Vorjahr nach der Märzdemonstration ins Schwanken geratene System der Sozialisten gerettet haben. Nun rief aber der DS- Parteichef Dragoljub Micunovic zum zivilen Ungehorsam gegen die Regierung auf. In einem öffentlichen Schreiben hatte die Partei die Bürger Serbiens dazu ermutigt, die Zahlung von Fernsehgebühren zu boykottieren, keine Zeitungen des regimetreuen Verlagshauses „Politika“ mehr zu kaufen und die Kommunalabgaben zu verweigern. Wegen einer verzehnfachten Inflationsrate beschuldigt die DS das Regime von Milosevic, für Armut und Korruption in Serbien verantwortlich zu sein. Da jeder Tag mit Milosevic als Präsidenten ein verlorener Tag für Serbien sei, wie DS-Spitzenfunktionär Zoran Djindijic neulich betonte, sei sein Rücktritt unausweichlich.

Rechtsextreme für Kommunisten

Dagegen lehnen die extrem Rechten — die „Serbische Radikale Partei“ um den Cetnik-Führer Vojislav Seselj oder die zerstrittene „Serbische Volks-Partei“ um Milan Paroski —, aber auch die extrem Linke — der „Bund der Kommunistenbewegung für Jugoslawien“ — die Kampagne ab. Die „Serbische Liberale Partei“ verlangt, daß das Monopol der „Sozialistischen Partei“ über die Medien, über die militärischen und polizeilichen Kräfte sowie über die Staatskasse noch vor den Neuwahlen abgeschafft werden. Und die „Sozial-Demokratische Liga“ in der Wojwodina habe beim Gericht in Serbien einen Antrag auf Verhaftung Milosevic' wegen Staats- und Volksverbrechen gestellt.

Die regierenden Sozialisten wissen nicht so recht, wie sie auf diese Offensive der Opposition reagieren sollen. Zunächst wurde der für den 20. Februar angesetzte Prozeß gegen Vuk Draskovic wegen „Anstiftung der 9.-März-Unruhen“ auf unbestimmte Zeit verschoben. Andererseits sollen viele junge Serben und vor allem Mitglieder und Sympathisanten von SPO zu Militärübungen mobilisiert worden sein, um eine Teilnahme an der Großkundgebung am 9.März zu verhindern. Die serbische Polizeidirektion in Belgrad teilte letzte Woche mit, die Teilnahme an der Demonstration sei zwar gestattet, jeder tue dies jedoch auf eigene Gefahr, denn die Sicherheit der Demonstrationsteilnehmer könne nicht garantiert werden.

Die Stimmung in der Bevölkerung wandelt sich. Zufrieden mit Milosevic waren Anfang Februar laut einer Umfrage des Belgrader Wochenmagazins 'NIN‘ 44,5 Prozent der Befragten, vier Wochen später nur noch 33 Prozent. 52,5 Prozent vertraten die Ansicht, die Opposition sei positiv für Serbien.