Antidiskriminierungsgesetz „braucht Zeit“

Ausländerbeauftragte fordern in Tutzing ein Gesetz gegen die Diskriminierung von AusländerInnen  ■ Aus Tutzing Dan Leskien

„Rechtliche Maßnahmen gegen die Diskriminierung von Ausländern“, haben die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Cornelia Schmalz-Jacobsen, sowie Ausländerbeauftragte der Städte, Länder und Gemeinden am Wochenende in Tutzing gefordert. Das Ziel der Fachtagung in der Evangelischen Akademie, die unter der Schirmherrschaft des Europarats stattfand, bestand nicht zuletzt darin, die deutsche Diskussion über ein Ausländer- Antidiskriminierungsgesetz um Erfahrungen zu bereichern, die in anderen Ländern mit entsprechenden Regelungen bereits gemacht wurden.

Denn während in Staaten wie Großbritannien, Frankreich und den USA schon Ende der 60er Jahre erste Antidiskriminierungsgesetze verabschiedet wurden, diskutiert der Kreis deutscher Ausländerbeauftragter erst seit knapp einem Jahr ein vergleichbares Gesetz auch für die Bundesrepublik.

Zwar erscheinen die Aussichten für ein Antidiskriminierungsgesetz angesichts der hiesigen Ausländerpolitik und der anhaltenden Hetze gegen Asylbewerber ausgesprochen trübe. „Ich bin mir völlig klar darüber, daß wir in den nächsten fünf Jahren kein Antidiskriminierungsgesetz haben werden“, stellte die Ausländerbeauftragte des Senats von Berlin, Barbara John, schon zu Beginn der Tagung fest. „Das braucht Zeit“, bedauerte auch Schmalz-Jacobsen. Doch die öffentliche Diskussion über ein solches Gesetz werde möglicherweise, so ihre Hoffnung, positive Wirkung zeigen.

Die Tutzinger Konsultation zeigte, daß auch bei den BefürworterInnen eines Antidiskriminierungsgesetzes noch Klärungs- und Diskussionsbedarf bestehen. Als problematisch erwies sich insbesondere die Unterschiedlichkeit der Erwartungen, die von den ReferentInnen und TeilnehmerInnen an eine antidiskriminierende Regelung geknüpft wurden. „Maßnahmen gegen die Diskriminierung von Immigranten“, so der Hamburger Professor Rittstieg, „setzen voraus, daß zunächst die institutionelle Diskriminierung im Aufenthaltsrecht, im Recht der Erwerbstätigkeit, im Sozial- und Steuerrecht und bei der Staatsangehörigkiet abgebaut werden.“ Dagegen zeigt das Beispiel Großbritannien, daß die gesetzliche Gleichbehandlung von In- und AusländerInnen keineswegs verwirklicht sein muß, bevor die gesellschaftliche Diskriminierung von Ausländern etwa durch Vermieter, Arbeitgeber, Gastwirte oder Diskothekenbesitzer gesetzlich untersagt werden kann.

Der britische „Race Relations Act“ verbietet zwar grundsätzlich jede Diskriminierung aufgrund von Hautfarbe, ethnischer Zugehörigkeit oder Staatsangehörigkeit. Eine generelle Ausnahme gilt jedoch für Gesetze: Der Race Relations Act verbietet nicht die Diskriminierung von Ausländern durch steuer-, sozial- oder aufenthaltsgesetzliche Regelungen. Ann Dummet aus Oxford wies darauf hin, daß in Großbritannien die Schaffung des Race Relations Act 1965 sowie seine Verbesserungen 1968 und 1975 zeitlich jedes Mal mit Verschärfungen des Einwanderungsrechts zusammenfielen.

„Die Verschärfungen des Einwanderungsrechts“, so Ann Dummet, „relativierten somit das eine ums andere Mal die Verbesserungen des Race Relations Act.“

In der Bundesrepublik existiert dagegen nicht einmal ein effektives Verbot der gesellschaftlichen Diskriminierung von AusländerInnen, während unzählige Gesetze, vom Arbeitsförderungsgesetz bis hin zur Zivilprozeßordnung, ImmigrantInnen nach wie vor institutionell diskriminieren. Während in Großbritannien und Frankreich unabhängige Kommissionen für die Aufdeckung und Beseitigung diskriminierender Praktiken zuständig sind, Minderheitenorganisationen das Verbandsklagerecht eingeräumt wurde, spezielle Beweisregelungen und Rechtsmittel die Durchsetzung der Gleichbehandlungspflicht erleichtern, sieht das bundesdeutsche Recht nichts Vergleichbares vor. Zwar dürften „diskriminierende Vertragsschlußverweigerungen“ einen Anspruch auf Schmerzensgeld geben. „Doch es gibt keinen Fall“, so die Berliner Staatsrechtlerin Ute Mager, „indem die Diskriminierung eines Ausländers als Persönlichkeitsverletzung mit einem Schmerzensgeldanspruch geahndet wurde.“

Zehn Thesen legte die Berliner Ausländerbeauftragte John zum Schluß der Tagung vor. Neben der Verbesserung des Ausländerstatus, insbesondere im Ausländer-, Staatsangehörigkeits- und Berufsrecht, wird darin nun auch ein Gesetz gegen die gesellschaftliche Diskriminierung von AusländerInnen gefordert. Auf Reaktionen aus Bonn darf mit Spannung gewartet werden.