INTERVIEW
: „Mutalibows Abgang hat die Kampfmoral gestärkt“

■ Nizazi Ibrahim, Vizevorsitzender der aserbaidschanischen Volksfront, über die Chancen einer Beendigung des Konflikts

taz: Herr Ibrahim, was Sie wollten, ist Ende vergangener Woche eingetreten: Mutalibow ist zurückgetreten. Brechen nun Ihrer Meinung nach für die Bürger Aserbaidschans glücklichere Zeiten an?

Nizazi Ibrahim: Was wir wollten, ist keineswegs eingetreten. Mutalibows Rücktritt war nur eine unserer Forderungen. Die Volksfront hat seit ihrer Entstehung zwei Ziele fest im Blick: die Unabhängigkeit und Demokratisierung. Präsident Mutalibow hat unserem Land unsäglichen Schaden zugefügt. Er hat Aserbaidschan an andere verkauft. Das Parlament hat beschlossen, daß er eine großzügige Pension bekommt und strafrechtlich nicht verfolgt wird. Wir dagegen fordern, daß er als Verantwortlicher für die Massenmorde vor Gericht gestellt wird. Doch nun ist er weg.

Wollen Sie in der Koalitionsregierung Aserbaidschans mit Repräsentanten des alten Regimes zusammenarbeiten?

Ich bin sicher, daß die Koalitionsregierung die schweren politischen und ökonomischen Probleme Aserbaidschans nicht lösen wird. Doch bald wird ein Wahlgesetz verabschiedet werden, und dann stehen Neuwahlen an. Dann erst gibt es Parteien und eine Parlamentarische Demokratie.

Wird die neue Regierung noch vor den Wahlen eine Lösung für Nagorny-Karabach finden?

Es hat in der Vergangenheit am Willen gefehlt, das Problem Nagorny-Karabach zu lösen. Wir haben als Volksfront gesagt, daß wir die Region binnen einer Woche von den armenischen Kommandos säubern. Doch unsere Freiwilligen haben nicht nur gegen die armenischen Kommandos gekämpft. Die Russen schlugen auf uns ein, und auch Mutalibow feuerte hinterrücks auf uns.

Armenien ist Mitglied im Militärbündnis der GUS, Aserbaidschan jedoch, wie die Ukraine, nicht...

Wir sind überhaupt nicht Mitglied der GUS. Das Parlament hatte beschlossen, daß Aserbaidschan nicht GUS-Mitglied werden soll. Doch Mutalibow hat sich an den Beschluß nicht gehalten und hat in Alma Ata den Vertrag unterzeichnet. Aserbaidschan ist Mitglied der Vereinten Nationen, die Unantastbarkeit der Grenzen ist anerkannt, und Nagorny-Karabach ist Teil Aserbaidschans. Weder Rußland noch Armenien haben das Recht, in der Enklave bewaffnete Truppen zu unterhalten. Sie müssen raus, oder wir werden Krieg mit ihnen führen müssen. Nachdem die Bewaffneten weg sind, werden wir uns mit den Armeniern an den Verhandlungstisch setzen. Sie haben Vorschläge, und wir haben Verschläge. Es wird zu einem Kompromiß kommen.

Über eine halbe Million Menschen sind in den vergangenen vier Jahren vertrieben worden, die Aserbaidschaner aus Armenien, die Armenier aus Aserbaidschan. Nagorny-Karabach ist die einzige Region, die ethnisch gemischt ist. Wird es so bleiben?

Die Armenier in Nagorny-Karabach unterstehen den Gesetzen des aserbaidschanischen Staates. Die Volksfront garantiert ihnen, daß sie bleiben können. Wir alle werden die Massaker letztendlich vergessen.

Wie ist die militärische Lage in Nagorny-Karabach?

Unsere Verbände haben die Stellungen der Armenier in Askaran eingenommen. Und der Abgang Mutalibows hat die Kampfmoral gestärkt. Interview: Ömer Erzeren