Auf der Suche nach Nirvana

■ Buffalo Tom, Blake Babies und The Nozems spielen im Loft

Die zwei Millionen verkauften Kopien der Nirvana-LP Nevermind liegen wie ein Fluch auf den Independent-Labels, die sich inzwischen eh nicht mehr wesentlich von den so gerne verdammten Majors unterscheiden. Allein noch die Tatsache, daß sie weniger Geld verdienen. Das ist in dieser Welt zwar nicht das Unwichtigste, aber beim Musizieren Gott sei Dank noch nicht das Einzigseligmachende. Auf jeden Fall durchforstet mittlerweile jede Firma hektisch ihre Bandbestände und fördert natürlich einiges zutage, denn der Rock 'n' Roll mit den satten Gitarren war in den letzten Jahren — etwas unscheinbar neben der alles beherrschenden Dance-Hysterie — überaus rege. Nun bin ich beileibe kein Anhänger der Theorie, daß das Gute sich zwangsläufig durchsetzen wird, aber im Falle Nirvana muß neidlos anerkannt werden, daß es nicht immer die Falschesten trifft. Das zeigen auch die drei Bands im Loft.

Buffalo Tom, Blake Babies und The Nozems verbindet vieles und trennt einiges, aber nicht so viel, um sie nicht in eine Ecke stellen zu können, wo sie sich wahrscheinlich ganz prächtig über ihre Plattensammlungen unterhalten würden. Buffalo Tom sind die Sorte Band, für die das USA-typische College-Radio noch erfunden werden müßte, wäre es nicht schon vorhanden. Die Sorte junger Männer, die ein Studium zu Ende bringen, um danach nichts damit anzufangen und statt dessen lieber in einer Bands spielen. Das ist nicht nur wahr und sympathisch, sondern auch feige. Buffalo Tom kommen aus Amherst, Massachussetts, das ist auch eine von den Ecken, wo die Bands in Haufen rumstehen. Ohne Zweifel gute Bands, wie eben auch Buffalo Tom, deren erste zwei LPs von J. Mascis produziert wurden. Komischerweise hören sie sich aber erst jetzt auf der dritten, Let Me Come Over, wie Dinosaur Jr. an, adaptieren vermehrt die folkigen Zwischenstücke und obertönenden Verzerrungen über verlorenen Melodien. Von Mascis produziert, klangen sie statt dessen ein bißchen wie die Nirvana von heute: satt und fett und dröhnend und melodiös. Wenn das mal nicht absurd ist.

J. Mascis und seine Dinosaur Jr. spielen auch eine nicht unwesentliche Rolle bei den Blake Babies. Aufgenommen wurde deren letzte EP Rosy Jack World im »Fort Apache«, einem Studio das auch Dinosaur Jr. oft und gerne besuchten. Gecovert wurde ein Song von Mascis, allerdings zu stark geprägt von Verehrung für und ohne große Distanz zum Meister. Ansonsten behalf sich das gemischtgeschlechtliche Trio aus Boston mit Gastmusikern aus der dortigen Szene, vor allem aus dem Lemonheads-Umfeld, denen der Blake-Babies-Gitarrist John Poole Strohm auch schon zeitweilig angehörte. Einer der Songs wurde Nirvana getauft, was die hübschen Überschneidungen vollkommen komplett macht. Allerdings sind die Blake Babies bei weitem nicht so bratzig, und das obwohl sie eigentlich durchgängig laut sind. In ihren lärmenden Gitarrensound bringen sie genau die Portion nölenden Charme, den man von den englischen C86-Bands kennt, um dem Ganzen die lockere Nonchalance abzugewinnen, die reinen Männerbands und dem Amerikaner sowieso meistens abgeht.

Das kann man den holländischen Nozems zwar nicht gerade vorwerfen, aber doch immerhin ihre Weigerung, richtig erwachsen werden zu wollen. Sie bemühen sich zwar nach Kräften, ihrem Rock — und sie sind die definitivsten Rocker des Abends — eine gewisse Leichtigkeit abzuringen, verlieren dabei aber wieder an Härte. Eine Gratwanderung, die gerade Nirvana vorzüglich ausbalanciert haben. Trotzdem habe ich schon lange keine Band mehr gehört, die mit solcher Hingabe Poprock spielt und mit Begeisterung die eingängigsten Melodien wiederkäut, die sich notgedrungen ewig wiederholen müssen. Die technisch perfekteste Schülerband, die es geben kann, und dabei mit soviel Verve, daß sich auch der größte Partymuffel dem nicht entziehen wird können. Schon deshalb, weil sich der störende Lärm in Grenzen hält. Die Freunde des Atonalen kommen eher bei den Blake Babies auf ihre Kosten.

Drei gute Bands, selbes Genre, verschiedene Ansätze. Aber die nächsten Nirvana sind nicht darunter, denn dazu fehlt allen die nötige Lässigkeit, der eine große Song oder halt nur das gewisse Etwas, das man nicht in Worte fassen kann. Never mind. Thomas Winkler

Heute um 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg