Galicische Pinien rufen den Regen

Verin (taz) — Am Ende des Winters ist im grünen Galicien noch immer kein Regen gefallen. Adolfo der Gaukler macht sich Sorgen um den Wald.

Frühmorgens schon, wenn auf der Plaza gerade erst die Gitter vor den Geschäften hochgezogen werden, ist Adolfo bereits bei der Arbeit. Aus einem Haus fährt er eine Schubkarre voller Wackersteine zu einer Baustelle. Zehn Meter, dann hält er an, verschnauft, blinzelt in die Sonne. „Man darf dem Körperchen nicht zuviel zumuten“, erklärt er. Adolfos Körper ist für Bauarbeiten nicht gemacht.

Sein Leben lang hat er sich auf Kirmessen und Festen als Gaukler und Akrobat betätigt, doch heute fällt ihm das schwer. „Als nächstes werde ich mir eine Schellentrommel kaufen und die auf den Dorffesten schlagen“, kündigt er an. Vom Fasching trägt er noch den rotgepunkteten Plastikzylinder, und in Haaren, Ohren und Nase sind Reste von Mehl verklebt, mit dem hier im Karneval reichlich geworfen wird. „Wenn auf den Festen die Musikgruppe mal wieder eine Pause macht, langweilen sich die Leute. Dann spiele ich, und sie geben was. Das ist nicht wie mit den Pensionen, die der Staat zahlt. Auf die muß man warten, wie man auf den Regen wartet. Aber mit so einer Schellentrommel regnet es immer.“ Adolfo packt erneut seine Schubkarre und zieht Richtung Baustelle.

Beim nächsten Halt kommt er vom Geld- auf den richtigen Regen. Der macht ihm Sorgen, wie allen hier. Zwei Sommer schon ist hier kaum ein Tröpfchen gefallen, riesige Waldbrände haben einen Großteil dieser grünsten Region Spaniens verwüstet. Jetzt ist der Winter fast vorbei, und weiterhin herrscht Trockenheit. Im Tamega, der zu dieser Jahreszeit ein reißender Fluß sein müßte, wachsen Seeanemonen, von der Brücke aus sind die Algen des stagnierenden Gewässers zu besichtigen. „Die Pinien sind traurig“, diagnostiziert Adolfo. „Normalerweise sind sie grün, weil sie trinken. Und sie rufen den Regen. Aber durch den Mist, den die Flugzeuge in der Luft ausstoßen, kann der Regen nicht kommen, und das Wasser vermodert in den Wolken. Die Pinien sterben, aber das darf nicht sein, denn die Pinien haben ein Recht zu leben, genau wie alle anderen Lebewesen. Alle haben ein Recht zu leben.“ Laut Adolfo ist die Trockenheit eine Strafe für die Umweltverschmutzung. „Das ist wie bei kleinen Kindern, die nicht richtig gepflegt werden“, erklärt er. „Die werden schwach und kränklich. Und sie brauchen zwei Jahre, damit sie sich wieder erholen. Mit dem Wald ist es genauso. Jetzt kommen zwei Sommer und zwei Winter, in denen es nicht regnen wird. Vielleicht wird es danach wieder besser.“

Nächtliche Fahrt durch Galicien. In der Ferne lodert ein Waldbrand — mitten im Winter. Antje Bauer