GORBATSCHOW LABERKOPF Von Mathias Bröckers

Hach, sind das Bilder: Herr und Frau Gorbatschow mit Herrn und Frau Stoiber vor dem Schloß Neuschwanstein, jubelnde Trachtengruppen im Spalier, und Gorbi mal wieder mit einem Super- Spruch: „Ihr lebt ja hier wie im Paradies.“ Nun mögen einen, zumal bei Kaiserwetter, Märchenschloß und Königskitsch durchaus zu euphorischen Metaphern inspirieren, bei Gorbatschow indessen hat das Sprücheklopfen Methode — in den Reden und Interviews, die er auf seiner PR- Tour für Bertelsmann von sich gibt, erweist sich der große Reformator des Kommunismus als mindestens ebenso großer Allgemeinplatzwart. Dies deutete sich ja schon an, als der Mann, noch in Amt und Würden, den Neobanalismus „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“ prägte, was flugs zum geflügelten Wort mutierte. Daß man mit solch verbaler Dünnsäureverklappung gewaltige PR-Erfolge erzielen kann — selbst der mittlerweile zum echten Gorbi-Kumpel gereifte Prachtkanzler Kohl sah sich ja seinerzeit zum finsteren Goebbels-Vergleich gezwungen — mag den Generalsekretär seinerzeit zum Ausbau seiner Metaphernkunst motiviert haben. Mittlerweile, vom Kommunisten-Chef zum Top-Kolumnisten gewandelt, schickt er sich an, die hohe Kunst des nichtssagenden Worts in Bares umzusetzen, als Bestseller-Autor, Fest- Redner, Grüß-August. Und es funktioniert vortrefflich, etwa vor den tausend prominenten Gästen in den Münchner Kammerspielen, die Gorbatschow am Sonntag lauschten: „Bei der Suche nach einer besseren Lebensform dürfen jetzt nicht Sozialismus und Kapitalismus gegenübergestellt werden“ — doch nicht das leiseste Schenkelklopfen, geschweige denn ein gewaltiger Lachsturm durchbraust den Saal. Und natürlich auch kein Buhruf, als Gorbi hinzufügt, daß er immer noch Sozialist sei — ist doch sowieso egal. Was dem allseits system-kompatiblen Rede-Automaten recht ist, ist dem Autor Gorbatschow allemal billig. In Burdas 'Bunter‘ verkündet er, daß er am amtierenden Papst „immer zuerst seine spirituelle Qualität“ geschätzt habe — wo doch noch der gläubigste Katholik weiß, daß selbst in einem atheistischen Betonkopf vermutlich mehr Spiritualität steckt als in dem machtbewußten Kirchenfunktionär Wojtyla. Allein, die grassierende Gorbatschow-Mystifizierung läßt noch gröberen Unfug unbeanstandet durchgehen: „Ohne Freiheit gibt es keinen Wohlstand“ — auch so eine Sentenz, die zur Aufnahme ins Nullwörterbuch internationaler Polit- Floskeln ansteht, ebenso wie Gorbis neueste Erkenntnis über die Entfremdung, nach der es gilt, „die Entfremdung des Menschen vom Eigentum“ zu überwinden. Die Memoiren des Ex-Präsidenten, um deren Rechte die Medienkonzerne derzeit feilschen, werden ihn zum Multi- Millionär machen — es wäre kleinlich, dem großen Weltveränderer reichlichen Lohn zu mißgönnen, ihm aber dafür noch ein weiteres großes Buch abzuverlangen, das kann, nach dem Schmonzes, den er heute schon von sich gibt, nur noch peinlich werden.