IBM mischt Nippons Computermarkt auf

Auch Japans Computerbranche steckt in der Krise/ Großkonzerne setzen auf neue Bildschirmtechnik  ■ Aus Tokio Georg Blume

„Wenn ich IBM sehe, denke ich: Als nächste sind wir an der Reihe.“ Verluste und Entlassungen beim Computerriesen IBM erwecken bei Sadamasa Yamamoto, dem Vorsitzenden des führenden japanischen Großcomputerherstellers Fujitsu, wenig Schadenfreude. Zwar schreiben Fujitsu und seine japanischen Konkurrenten Hitachi und NEC noch keine rote Zahlen; doch schon heute stehen Nippons Großcomputerhersteller, die das IBM-Monopol brechen wollten, vor ähnlichen Schwierigkeiten wie der US-Gigant. Weltweit ist die Nachfrage eingebrochen; der Markttrend führt zur Ausweitung des Serviceangebots statt einer immer leistungsfähigeren Hardware.

Dennoch vertrauen Nippons Computerfirmen weiterhin auf ihre Fähigkeit, bessere und billigere Herstellungsverfahren zu entwickeln. Wichtigstes Investitionsfeld bilden dabei die LCD-Bildschirme, für die japanische Firmen schon heute ein Weltmarktmonopol innehalten. Japans führender Bildschirmproduzent Sharp möchte nun LCD-Leinwände so dünn wie Papier produzieren; zwischen 1990 und 1992 wurden dafür 1,3 Milliarden Mark in die Forschung investiert. „Die Einstiegsinvestitionen in die LCD-Produktion“, kommentierte die Wirtschaftszeitung 'Nihon Keizai‘, „sind vergleichbar mit denen zum Durchbruch im Halbleiterbereich.“

In der zweiten Hälfte der 80er Jahre war es weitgehend den japanischen Fabrikanten zu verdanken, daß die Computerbenutzer immer leichtere und mobilere Hardware erstehen konnten. 1989 setzte der Aktenkoffer-PC von Toshiba („Dynabook“) einen neuen PC-Standard. Seitdem haben freilich die US-Konkurrenten nachgeholt. In den letzten sechs Monaten mußte Toshiba in den USA zunächst 200 und im Februar noch einmal 150 Mitarbeiter entlassen, weil die Apple-Konkurrenz mit ihrem „Powerbook“-Modell den US-Markt dominiert.

Die Großcomputerpleite bei Fujitsu und das Ende des „Dynabook“- Erfolges für Toshiba sind nur zwei Anzeichen dafür, daß die Computerbranche auch in Japan Krisensymptome zeigt. In der vergangenen Woche gab die Vereinigung der japanischen Elektronikindustrie bekannt, daß die PC-Produktion in Japan 1991 um 8,3 Prozent gefallen sei. „Eine solche Situation ist noch nie vorgekommen“, staunte Ken Suzuki, Vorsitzender des PC-Herstellerverbandes, der in den letzten zehn Jahren immer zweistellige Wachstumsraten meldete.

Ein Grund für die Flaute ist die Rezession in den USA, der zufolge die japanischen PC-Exporte über den Pazifik 1991 um 35 Prozent nachließen. Doch den japanischen Computerriesen drohen mehr als nur konjunkturelle Gefahren. Denn ein neues Betriebssystem von Microsoft für alle IBM- und IBM-kompatiblen Geräte verspricht zum ersten Mal ein Ende des japanischen Inselstatus in der Computerwelt: Das Betriebssystem DOS/V funktioniert nämlich sowohl mit unserem Alphabet als auch mit japanischer Zeichenschrift. Bislang machte die Schrift Japans Computer für den Rest der Welt inkombatibel. Alle in Japan gängigen Betriebssysteme waren ins Japanische umgeschriebene Versionen des Microsoft-DOS-Systems, die jeweils nur im eigenen Land mit Geräten von derselben Firma funktionierten. So verfügte NEC über eine DOS-Version, aber auch Toshiba, Hitachi und Fujitsu, die sich untereinander nicht verbinden ließen.

Die Alternative, das DOS/V-System, wurde 1991 in Japan von IBM eingeführt. IBM hat zur schnelleren Vermarktung des Systems eine für alle Unternehmen offene Nutzergruppe ins Leben berufen, der heute bereits führende Unternehmen wie Hitachi, Toshiba, Sharp und Mitsubishi angehören. Besonders Hitachi begeistert sich bislang für das IBM- Angebot. Zudem ist das DOS/V-System aber auch mit einer bisher nur von Sharp, Mitsubishi und Sanyo genutzten japanischen DOS-Version kompatibel — also haben auch diese Firmen ein Interesse am neuen Betriebsprogramm gefunden. Falls DOS/V in Japan an Popularität gewinnt, droht den Computerfirmen neue Konkurrenz: Dann nämlich könnten die Billigproduzenten aus Taiwan und Korea, die auf dem japanischen Markt bislang völlig fehlten, das Land mit ihren IBM-kompatiblen Geräten überschwemmen.

Noch ist fraglich, ob der IBM-Angriff die NEC-Vormachtstellung auf dem japanischen Kleincomputermarkt erschüttern kann. 51 Prozent aller japanischen PCs laufen mit der NEC-Betriebsnorm. Das Unternehmen hält es deshalb nicht für nötig, ein anderes Betriebssystem einzuführen. Doch hat gerade der Ausgang des PC-Duells zwischen NEC und IBM in Japan Folgen, die weit über die Branche hinausreichen: Schließlich bietet das neue Betriebsprogramm DOS/V den Benutzern aller IBM-Geräte die Möglichkeit, mit der japanischen Zeichenschrift zu operieren.

Ein deutsches Unternehmen, das japanischkundige Mitarbeiter beschäftigt und über eine DOS/V-Systemversion verfügt, könnte beispielsweise mit japanischen Unternehmen so auf vielen Ebenen leichter zusammenarbeiten. Doch dazu müßten die Firmen in Japan eben auch mit DOS/V arbeiten — die verwendeten NEC-Computer schließen solche Kooperationsperspektiven noch aus.