Zwei alte Hasen auf der Piste

■ Heinrich Pachl und Arnulf Rating gastieren mit »Wo andere beten« im BKA

Wenn sich einer, der aussieht wie frisch von der Streckbank, ausgerechnet mit einem kleinen handlichen Ultra-Pack (»viel Leistung auf wenig Raum«) zusammentut, dann reisen sie nach erfolgreicher Vereinigung sicher in Sachen »Lachen«. Und weil die Welt heute eigentlich nichts mehr zu lachen hat, klauben sie all die Themen zusammen, über die das Reinheitsgebot des guten Geschmacks so gerne ein Kabarettverbot verhängen würde: Armut, Almosen, Achselnässe. Bibel, Bimbo und Kultur. Der abgerüstete »Tornado« Arnulf Rating und sein »wahrer Anton« Heinrich Pachl sind mit ihrem ersten gemeinsamen Kabarettprogramm Wo andere beten durch deutsche Landen unterwegs. Wo immer sich eine günstige Gelegenheit bietet, und das BKA ist in dieser Angelegenheit gewissermaßen ein Heimspiel, präsentieren sie ihren Abnorma-92-Messestand, hauen dann am Orte gerne kräftig auf die Kacke und zynieren sich so durch die Hirnwindungen ihres geistig ausgereizten Publikums. »Wo immer Sie intellektuell sitzengeblieben sind, holen wir sie ab!« versichern die beiden Kalauerkönige, kotzen gelegentlich ungeniert in die Deko — »aber bitte nicht so laut!« —, spielen cool den Spendenaufruf-Skat — »Lepra ist Trumpf!« — und denken in Sachen Asylfrage endlich mal in die falsche Richtung.

Da gibt es beispielsweise Bungo- Bungo, den armen Mohrenknaben, dem es zu helfen gilt, bevor er womöglich auf die Idee kommt, uns heimzusuchen. Ganz einsichtig spenden wir da doch lieber, was das Zeug hält — zumal jede Mark sowieso ihre zwei Seiten hat, eine spendende und eine gewinnende: »Spenden Sie, spenden Sie!« animiert uns Arnulf Rating vom Verband der Verdienst-Pazifisten, denn »Männer werden Ihnen voller Neid und Bewunderung ‘Whow!‚ nachrufen, Frauen kreischen und wünschen sich von Ihnen Babys!«. Und überhaupt: Ist inzwischen diesseits des Wendekreises nicht jede noch so kleine Spendenquittung allemal ein besseres Eintrittsbillett als Euro-Card und Amex zusammen? Schauen wir uns das Elend nicht alle lieber in der Sahelzone statt in der Fußgängerzone an? Weil das so ist und weil die armen Bungo-Buben auch so gerne einen Walkman hätten, schlagen die Abnorma-92-Strategen eine konzertierte Aktion vor: »Quelle« in die Sahelzone, Schnupperwochenenden für Asylbewerber. Mit deutscher Kulturidentität konfrontiert, die von Heintje zu den Fischerchören, vom Bochumer Bajazzo Grönemeyer zu den Wildecker Herzbuben reicht, werden sich die im Auffanglager kulturell ekelgeschulten Elendsflüchtlinge bald von selbst wieder verflüchtigen, daheim große Postämter bauen und fortan aus kleinen und großen blauen Quellepaketen leben. So findet sich bei näherer Betrachtung für alles eine Lösung, wenn man sich nur entschließen kann, die ausgetretenen Denkpfade zu verlassen. Und statt dessen den inzwischen rollstuhlgerecht ausgebauten Kabarettschleichweg einzuschlagen.

Denn auch was Pachl und Rating hier sprachgewaltig und in einem Irrsinnstempo als rückwärtige Satire anbieten, ist in der Sache alt, weil schon tausendundeinmal in Gags gepreßt worden. Golfkrieg, Killerhund und Ossi-Häme, die neue Inländerfeindlichkeit und Frau »Brigitigit Greul«. Das sind sozusagen die Standardvorgaben jedes mikroprozessorgesteuerten Kabarettprogramms. Wer daraus noch richtige Kalauer machen kann, muß schon ziemlich genial sein. Die beiden Gagproduzenten haben die kulturelle Recycling-Technologie offenbar gut im Griff, ganz nach dem Motto: »Ich war einmal eine Gag«, sprach die Dose und lachte sich halb scheckig. Das Publikum tut's auch, nicht nur, weil sie den Rating schon so lang lieben. Nein, der Lange und der Knubbel, sie beide haben auf der Bühne wirklich »Tünnes & Schäl«-Format. Fast möchte man ihnen wünschen, daß sie sich noch ungenierter die Torten ins Gesicht werfen, denn inmitten eines solchen Slapstickprogramms wäre dann unser intellektueller Geist auch nicht mehr so unterfordert.

Aber so weit mögen sich die beiden dann auch wieder nicht entblöden, sitzen dafür lieber in einem kleinen Lokal und schieben Mittelschichts-Zoten über den falschen Damast: »Wenn Hunger der beste Koch ist, müssen die Inder ja verdammt gute Köche haben« — tata, tata, Klatschmarsch, bitte! Dieser Bühnensarkasmus, der seine Komik in Schlips und Kragen versprüht, wurde leider, wie so vieles, von der real dinierenden Fachwelt längst eingeholt. Denn wenn die Manager von heute die Linken von gestern sind, und davon muß ausgegangen werden, dann können die White- Collar-Strategen mit den reinweißen Westen solche Witze inzwischen auch selber reißen. Drum greifen der Heinrich und sein Arnulf noch ein bißchen tiefer in die Kiste, gourmieren das »Whiskas« aus dem Schleckertöpfchen, schlüpfen in den Tuntenfummel und slapsticken sich damit — immer auf den Kanten des guten Geschmacks — durch ihren riskant gefahrenen Kalauer-Slalom.

Ist die Ziellinie dann erreicht, wartet verdientermaßen tosender Applaus für das gut getimte Schnellsprachrennen. Auch wenn sie sich zwischen den Disziplinen »Tortenschlacht« und »Scheibenwischer« nicht so recht entscheiden können, war das eine stramme Leistung — der erste Preis ist ihnen sicher! Denn bei aller Kritik: nicht sie haben schließlich diese Themenstrecke gesteckt. Das Leben ist, wie es ist. Daran kann auch das Kabarett nichts ändern. Und wo andere beten, können Pachl & Rating immer noch trefflich satirisch abfahren. Nur eine bald etwas kabarettfähigere Wirklichkeit wäre den alten Hasen zu wünschen. Uns natürlich auch. Klaudia Brunst

Heinrich Pachl und Arnulf Rating mit Wo andere beten noch bis zum 21.3., 20.30 Uhr im BKA