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Neue Lichter für die Stadt der vielen Feuer

Oberhausens Stadtväter bangen um ihr milliardenschweres Einkaufs- und Freizeitprojekt/ In Düsseldorf soll ein Untersuchungsausschuß die zweifelhafte Rolle von Finanzminister Schleußer beim Grundstücksdeal mit Thyssen beleuchten  ■ Aus Düsseldorf Walter Jakobs

Friedhelm van den Mond ist sauer. „Wir sehen die Gefahr, daß die seit Opel größte Investition im Ruhrgebiet Schaden nimmt. Das werden wir nicht zulassen.“ Das „Unheil“ droht aus Düsseldorf. Im dortigen Landtag will die schwarz-grün-gelb vereinte Opposition in der nächsten Woche einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß aus der Taufe heben, der das zweifelhafte Agieren des Düsseldorfer Finanzministers Heinz Schleußer (SPD) bei einem Grundstücksdeal mit Thyssen in Oberhausen untersuchen soll.

Glitzergarten für Oberhausen

Van der Mond, Oberbürgermeister der Stadt und wie Schleußer in der SPD, wittert Gefahr für die Zukunft seiner Stadt, denn mit dem in Rede stehenden eine Million Quadratmeter großen Thyssen-Grundstück haben die Oberhausener Stadtväter viel vor. Wo früher Stahl gekocht und gewalzt wurde, soll künftig auf 180.000 qm ein glitzernder Einkaufstempel — Nettoverkaufsfläche 70.000 qm — entstehen. Ein 100.000 qm großer „Tivoli-Garden“, Sportstätten, Wohnungen und Gewerbebauten gehören zur „Neuen Mitte Oberhausen“ ebenso wie ein angrenzender Yachthafen. Insgesamt, so hat Oberhausens Oberstadtdirektor Burkhard Drescher ausgerechnet, werde das Gesamtprojekt rund 2,868 Milliarden Mark Investitionen mobilisieren. Allein das Einkaufszentrum, so glaubt Drescher, wird 5.000 Menschen Dauerarbeitsplätze bieten. Während der 3-4jährigen Bauzeit sei die Beschäftigung für 20.000 Bauarbeiter gesichert.

Solche Zahlen lassen in Oberhausen viele Gesichter strahlen. Der Strukturwandel hat in der einstigen „Stadt der tausend Feuer“, der „Wiege der Stahlindustrie“, Tausende von Jobs vernichtet. Vor drei Jahren sollte es mit der Tristesse schon einmal ein Ende haben. Doch aus dem „schönen“, fünf Milliarden Mark teuren Einkaufs- und Freizeitzentrum einer kanadischen Investorengruppe wurde nichts. Die Subventionsforderungen und der Aufschrei der Nachbarstädte ließen eine Zustimmung der Düsseldorfer Landesregierung nicht zu. Nach dem Flop von „Superhausen“ versprach die Rau-Regierung ihren Genossen in Oberhausen Hilfe. Finanzminister Schleußer, zugleich Landtagsabgeordneter der Stadt, wurde im Juni 1989 damit beauftragt, das Thyssen- Gelände unparzelliert „zum Zwecke der Wirtschaftsförderung“ zu sichern. Ende letzten Jahres war der Deal perfekt. Für 20 Millionen Mark erwarb Schleußer am 5. Dezember 1991 das Gelände, um es noch am selben Tag zum selben Preis an die „Grundstücks-Entwicklungs-Gesellschaft Oberhausen“ (GEG) weiterzuverkaufen.

Verstieß der Minister gegen die Verfassung?

Die ausschließlich zur Vermarktung des Geländes gegründete GEG gehört der Stadt und einer Tochterfirma der Westdeutschen Landesbank (West LB). Das Geschäft ging ohne Information des Landtags über die Bühne. Nach Auffassung der Düsseldorfer Opposition hat Schleußer damit „eindeutig gegen das verfassungsrechtlich geschützte Budgetrecht des Landtags verstoßen“. Ein Grundstück, dessen Wert über drei Millionen Mark liegt und dessen Veräußerung im Haushaltsplan nicht vorgesehen ist, darf, so sieht es die Landeshaushaltsordnung explizit vor, „nur mit Einwilligung des Landtags veräußert werden, soweit nicht aus zwingenden Gründen eine Ausnahme hiervon geboten ist“. Solche Gründe sieht die Opposition nicht.

Anders Schleußer: „Der Investor für Oberhausen wurde nervös und wollte einen Abschluß.“ Das Land habe sich aber auch deshalb dazwischenschalten müssen, weil sich anders die „hohen Auflagen des Landes“ nicht hätten durchsetzen lassen. Gerade die Umweltauflagen, so hält die Opposition dagegen, sprächen gegen diese Begründung. So sichere das Land der GEG zu, „daß im Rahmen der Bebauung und Nutzung keine umweltrechtlichen Auflagen ergehen, die über die Versiegelung der Grundstücke durch Gebäude, Verkehrsflächen und Mutterbodenaufschüttung hinausgehen“. Die Bodensanierung, entpuppe sich, so die grüne Fraktionssprecherin Bärbel Höhn, als „Zubetonierungspolitik“. Zudem trage das Land alle Risiken noch nicht bekannter Altlasten. Thyssen werde dagegen von allen Altlastverpflichtungen freigestellt. Die vereinte Opposition spricht von „Sonderrechten“ und vom „Verdacht einer Interessenverstrickung“ des Finanzministers. Schleußer, der Kraft Amtes dem Verwaltungsrat der West LB vorsteht und dem Aufsichtsrat der Thyssen AG angehört, habe die Landesinteressen nicht hinreichend gewahrt. Durch den von der Opposition angekündigten Untersuchungsausschuß soll die Regierung gezwungen werden, alle Karten auf den Tisch zu legen.

Oberhausen fürchtet um das Großprojekt

Der zuweilen als Rau-Nachfolger gehandelte Finanzminister kommt damit gewaltig unter Druck. Erst kürzlich hatte ihm das höchste Gericht in NRW bescheinigt, im Zusammenhang mit der Finanzierung einer Anzeigenserie zur Müllvermeidung die Landesverfassung verletzt zu haben. Die Grünen wollen jetzt erneut eine Klage beim Verfassungsgerichtshof anstrengen.

Während die Grünen das Projekt „Neue Mitte Oberhausen“ aus ökologischen und städtebaulichen Gründen gänzlich ablehnen, geht es den Christ- und Freidemokraten allein um die Rolle der Landesregierung bei dem Milliardenpoker.

Oberbürgermeister van den Mond fürchtet unterdessen, daß das politische Gerangel in Düsseldorf das Projekt selbst in ein „schlechtes Licht“ setzen könnte. Deshalb startete der OB „für das eminent wichtige Vorhaben“ vor ein paar Tagen die Gegenoffensive. Vor der eilig zusammengetrommelten Landespresse trat auch der britische Investor Edwin D. Healey auf. Dessen Unternehmen hat das Thyssen-Grundstück inzwischen für 60 Millionen von der GEG gekauft. Fällig wird der Kaufpreis indes erst, wenn die GEG das Gelände baureif gemacht hat. Mit 107 Millionen DM subventioniert der Düsseldorfer Wirtschaftsminister die Aufbereitung des Grundstücks. Unüblich sind solche öffentlichen Geschenke an Investoren allerdings nicht. „Im ganzen Ruhrgebiet“, da ist sich Oberhausens Verwaltungschef Drescher sicher, gebe es „nicht ein altes Industriegrundstück“, das ohne öffentliche Unterstützung baureif gemacht worden sei.

Investor Healey bleibt vorerst cool: „Ich glaube nicht, daß die politischen Diskussionen die Pläne verhindern können.“ Selbst eine Ladung vor dem Untersuchungsausschuß schreckt den Briten nicht: „That's part of the game.“

Der britische Investor gibt sich cool

Auf Healey ruhen die Hoffnungen der Stadtväter. Healeys Unternehmensgruppe „Stadium“ will das Kernstück des Projekts, das gigantische Einkaufszentrum, für 900 Millionen Mark bauen. Mit Konsumtempeln hat Healey Erfahrungen. Auf einer Industriebrache in Sheffield baute er vor einigen Jahren die „Meadowhall“. In 255 Geschäften werden dort pro Jahr inzwischen 750 Millionen Mark umgesetzt. Daß dieser Umsatz zu einem großen Teil auf Kosten der City und der Nachbargemeinden ging, irritiert die Oberhausener Stadtpolitiker nicht. Im Gegenteil, den Abfluß von Kaufkraft aus Oberhausen zu verhindern ist ein erklärtes Ziel. Von dem Wirtschaftsforschungsinstitut „prognos“ haben sie sich ausrechnen lassen, daß, wenn nichts geschieht, im Jahre 1996 460-780 Millionen Mark Kaufkraft netto aus ihrer Stadt flöten gehen. Dann, so fürchten die Stadtoberen, erlöschen noch mehr Lichter in der einstigen Stadt „der vielen Feuer“.

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