Mielke mal als Zeuge

■ Der Schalck-Untersuchungsausschuß hofft auf Infomationen über die KoKo-Stasi-Verbindung

Berlin (taz) — Der schauspielerisch bekanntlich nicht unbegabte ehemalige Stasi-Minister Erich Mielke darf für ein paar Stunden die Rolle tauschen: Nicht wie gewohnt als Angeklagter, sondern als Zeuge soll er heute heute nachmittag im früheren Reichstag ins Rampenlicht treten. Dorthin hat ihn der bundestägliche Schalck-Untersuchungsausschuß bestellt. Mielke soll den Parlamentariern Auskunft geben über die Stasi-Anbindung Alexander Schalck-Golodkowskis. Der Ausschuß will außerdem herausfinden, aufgrund welcher Connections Schalck in seine privilegierte Stellung als Boß des KoKo- Imperiums und deutsch-deutscher Sonderunterhändler gelangte. Denn die enge Verzahnung zwischen Schalcks Firmennetz Kommerzielle Koordinierung (KoKo) und der Stasi bildet zusammen mit den internationalen Waffengeschäften der Schalck-Truppe den nächsten großen Themenblock der Ausschußarbeit, sobald demnächst der Komplex Kunst- und Antiquitätenhandel abgeschlossen ist.

Ausschußunterlagen, bei denen sich auch die Stasi-Kaderakten des Ehepaares Alexander und Sigrid Schalck-Golodkowski befinden, belegen eine enge Kooperation zwischen der KoKo und des Ministerimuns für Staastsicherheit (MfS). In Schalcks Akte wird Mielkes Sekretariat als Dienststelle angegeben.

Wegen Mielkes amtsärztlich attestierter Reiseunfähigkeit wird der Ausschuß erstmals in Berlin tagen. Die Chancen, daß Mielke vor dem Ausschuß sein vor Gericht bewahrtes Schweigen bricht, werden von den Parlamentariern allerdings nicht sonderlich hoch eingeschätzt. Wird er den eigens aus Bonn angereisten Abgeordneten wie weiland in der Volkskammer beteuern, er liebe sie alle? Wird er mit oder ohne speckigen Lederhut erscheinen? Oder packt er, Scherz und Schauspiel beiseite, vor den Volksvertretern wirklich aus?

Man will es wenigstens versucht haben. Ebenfalls geladen ist Mielkes früherer persönlicher Referent im MfS, der Stasi-Offizier Hans Carlson. Doch auch er, so signalisierte sein Anwalt, wird sich bedeckt halten, da er sich andernfalls selbst zu belasten fürchtet. Der ehemalige Wirtschaftslenker im ZK der SED, Günther Mittag, wird wahrscheinlich gar nicht erst erscheinen, nachdem ihm ein Amtsarzt erst kürzlich Verhandlungsunfähigkeit bescheinigt hat. Da der Ausschuß nun schon mal in Berlin ist und damit es hinterher nicht heißt „außer Spesen nichts gewesen“, wollen die Abgeordneten auch noch weitere Zeugen aus dem Bereich Kunst und Antiquitäten vernehmen. Auch hier spielt das Thema Stasi mit: Zumindest einem der Zeugen, so ergibt sich aus neu eingetroffenen Ausschußunterlagen, diente der Antiquitätenhändler lediglich als Legende für seine Umtriebe als Stasi-Agent. Thomas Scheuer