Für jede was dabei: 3 x 1 + 1

■ Drei Frauen und ein Mann: VIP-Porträts und wuselnde Katzen im Fotoforum Langenstraße

Tische und Schränke erobert, mit Schwänzen Fragezeichen gemacht: Sandy Skoglunds' InstallationF.:seb.

Wenn von einem Foto ein Gegenteil denkbar ist, dann sind im Fotoforum gerade vier Gegenteile ausgestellt: höchst unterschiedliche Ergebnisse von vier sehr verschiedenen Absichten, Mitteln, Objekten, TäterInnen. Das ist natürlich Absicht. Wolfgang Stemmer, künstlerischer Leiter des Fotoforums: „Wir wollen nicht nur Großausstellungen. Wer bei einem Besuch von der einen Fotografin frustriert ist, findet daneben etwas anderes und so vielleicht auch neue Zugänge.“

Wer die Bilder in der Haupthalle anguckt, kann gleich mit in der Debatte um Alice Springs streiten. Die 52jährige macht für mondäne, modische Magazine

wie Vanity Flair und Vogue Prominenten-Fotos — und verkauft solche Produkte nebenbei und lukrativ weiter auf dem gierigen Kunstmarkt. Neu-Reiche und Alt-Reiche mit großen Namen werfen sich vor ihrer Kamera in die Brust, spreizen Daumen in Hosentaschen, versammeln um sich die Insignien von Reichtum oder von gewollt lässiger Designer-Abgerissenheit.

Manche Foto-Theoretiker sagen: Alice Springs schlüpft gerade durch die Pose unter die Oberfläche, entlarvt, legt Selbst- Überschätzung, Elend, Stolz, Maske frei. Das eben ist die Frage. Ist Caroline von Monaco, im bunten Bauernrock mit Säug

hier die Installation mit Katzen

ling und Kleinkind auf unschuldiger Wiese aufgenommen, nicht bloß banal? Ist Fotomeister Helmut Newton, übrigens der Ehemann der Fotografin, mit high heels im Sessel abgelichtet, mehr als nur gagig? Wenn Fellini der Große sich einen Handspiegel zum Kämmen hinhalten läßt, ist das ein überraschender Anblick oder die Inszenierung eines Schnappschusses? Stemmer: „Ob Alice Springs tatsächlich unter die Oberfläche der Selbstinszenierungen kommt — ich selbst bezweifle das, ich stelle das zur Diskussion.“

Schockierend dokumentarisch und allenfalls vom Leben inszeniert sind dagegen die Farbfotos von Nan Goldin, 39. Sie hat mit der Kamera und mit der Erlaubnis ihrer FreundInnen gnadenlos draufgehalten, Gewalt, Sexualität und die blassen und vergeblichen Versuche von buntem Leben dokumentiert. Ihre Freundinnen und Freunde, die Goldin mit der Kamera wie mit einem Tagebuch in der Hand bis aufs Klo begleitet, haben kein geschöntes Make-up, aber gerötete Hände, weil sie zuviel rauchen. Die meisten Szenen sind in der New Yorker Künstlerszene aufgenommen. Goldins Menschen sind furchtbar wirklich: eine Hochzeitsnacht mit einem blassen Paar, eng umschlungen, wie trostbedürftig. Oder: Freundin Siobhan, immer wieder: unter der Dusche, weinend mit roter Nase, auf einer Berliner Toilette. Die „Sex-Party in der Browery“ mit pickeligem Hintern wirkt freundlos und ungeheizt. Nan Goldin hat etliche ihrer Freunde durch Aids verloren und mit der Kamera ein Paar begeleitet, von der Diagnose bis zum Blick auf den aufgebahrten Leichnam. Ein Tagebuch in Farbe.

„Das Mittelmaß interessiert mich ganz besonders“, hat die Fotografin Sandy Skoglunds mal gesagt und den amerikanischen Mittelstand erbarmungslos zuerst aufs Korn und dann dollarmäßig ausgenommen. Ihre Marktstrategie funktioniert so: Eine Installation geht für ca. 100.000 Dollar an ein Museum, eine Galerie. Vorher wird sie dokumentiert auf einem Farbfoto, einen Abzug gibt es vorweg als Suskription für günstige 8.000 Dollar, nach der Vernissage dann für 25.000, manchmal 40.000 Dollar. Ja, Sandy Skoglunds kennt den amerikanischen Mittelstand und hört nicht auf, ihm seine Macken, Neurosen und kleinbürgerlichen Träume unter die Nase zu reiben. Wie ausgespuckte Kaugummis hat sie „Bazillen“ in einem gemütlichen Wohnzimmer verteilt: Auf Lampen, Sesseln, in und an Schubladen, Trinkbecher, Obstschale. Oder die radioaktiven Katzen, im Fotoforum als Installation aus grellgrünem Gips in einem grauen Raum auszuhalten. Daneben als Foto dokumentiert: wie sie Tisch und Kühlschrank erobert haben, mit den Schwänzen Zeigefinger und Fragezeichen machen, sich recken, buckeln: Sandy Skoglund kommt unbersehbar aus der Bildhauerei. Ein unerträglich kribbeliger, falsch realistischer Anblick.

Nebenden drei Fotografinnen ein Mann, Paul Albert Leitner, österreichischer Foto-Staatspreis-Träger. Er will Phantasie- Reisen bei der BetrachterIn provozieren, inszeniert sich selbst vor gefundenen Reise-Bildern, als Gedanken-Stoß. Zum ausprobieren: Bei mir gings nicht. S.P.

Bis 23.3.; tägl. 10-20 Uhr, 5,-/3,-DM