Von Albuquerque nach Buffalo

■ Tom Petty & The Heartbreakers bespielten die Deutschlandhalle

Wirklich gut an Tom Petty und seinen Heartbreakers war immer die Zurückgenommenheit, mit der sie die zweifellos guten Songs von Petty spielten. Ständig hatte man den Eindruck, daß die Band nun endlich losbrechen müßte, sich steigern sollte zu einem unglaublichen Gedresche und Geflegel, das kleine nette Riff zum brüllenden Orkan machen sollte. Aber statt dessen nahmen sie sich immer wieder zurück, Petty näselte weiter im breitesten Südstaatenakzent, und das Brodeln fand hübsch verborgen unter der Oberfläche statt. Dieses Verfahren gab seiner Musik eine Zähigkeit, die sie grundsätzlich unterschied vom sonstigen Ami-Mainstream, es verlieh ihr etwas Aufrührerisches, Revoltierendes. Als wäre er selbst nicht ganz einverstanden mit dem, was er tat, stieß Petty weiter durch die polypenverstopfte Nase Worte hervor. Bei ihm rollten die guten Zeiten nie so einfach.

Zudem war er nie bloß Musiker. Er war auch Fan und spielte zwei Touren bei Dylan Background, als wäre er ein simpler Mietmusikant. Bei den Travelling Wilburys nahm er sich an der Seite von Roy Orbison, Bob Dylan, George Harrison und Jeff Lynne so zurück, als wäre es ihm genug, sich einfach nur in der Nähe der ergrauten Herrschaften zu befinden. Die beiden Touren mit Dylan führten zwar zum Split der Heartbreakers, aber Pettys erstes Solo-Album Fullmoon Fever verkaufte sich wie der Teufel. Doch hier begann auch die unheilige Allianz mit Jeff Lynne, jenem Mann, der für Geschmacksverirrungen wie das Electric Light Orchestra traurige Berühmtheit erlangte. Für die letzte, schwache Platte Into The Great Wide Open schrieb er die Songs zusammen mit Petty und verpaßte ihnen eine gruselige, saturierte Produktion.

Als würde Tom Petty diesen Eindruck wegwischen wollen, beginnt das Konzert in der leidlich vollen Deutschlandhalle mit Rock. Zuerst wird einmal, wie es heutzutage üblich ist, die Hälfte der neuen Platte gespielt. Dann kommen die Hits. Nie erreichen die reformierten Heartbreakers die versteckte Härte, die sie einmal auszeichnete. Statt dessen eben Mainstream, der Matsch von drei Gitarren, Hammondorgel im Hintergrund, auch schon mal ein Honkytonk-Piano, das man in 2.748 Bars zwischen Albuquerque und Buffalo schon besser gehört hat. Sie rocken los, als hätten sie alles zu verlieren, und der Gast darf sich wundern, daß da nicht mehr kommt. Wo sind sie hin, die Versprechungen der so wundervoll reduzierten Platten? Wo ist das Kauzige, das Sperrige?

Das tobt sich in der Show aus. Der Baum für Greenpeace als Bühnendekoration, die Vegetarier-Nummer mit dem eine Mundharmonika servierenden Wildschweinkopf und die durchgehend wiederholten Publikumsanimierungsbemühungen sind kitschig, so zutiefst amerikanisch, eben zutiefst peinlich.

Das Ganze dauert dann mehr als zwei Stunden, wird immer matschiger, und ist doch nur ein Beispiel dafür, daß Lautstärke nicht viel mit Härte oder Kompromißlosigkeit zu tun hat. Wieder ein verlorener Jugendheld mehr, wieder jemand, der noch so aussieht, wie vor zehn Jahren, dieselben Westen und dieselben ausgewaschenen Jeans trägt. Wieder jemand, der gealtert ist, ohne dabei zu gewinnen. Thomas Winkler