KOMMENTARE
: Licht am Horizont

■ Schewardnadse wird die politische Vernunft durch seine integrative Kraft ermuntern

Besser wäre es gewesen, Schewardnadse hätte sein neues Amt durch eine ordentliche Wahl gewonnen. Dann wäre er auch von den ehemaligen Kampfgenossen Gamsachurdias unabhängig, die ihn jetzt aus nachvollziehbaren Motiven ins Amt holten.

Aber der politische Horizont wird durch die Rückkehr des ehemaligen sowjetischen Außenministers in die georgische Politik erheblich heller.

Was immer seine Vergangenheit gewesen sein mag — es gibt darüber negative und positive Berichte —, nach 1985 hat er sich als außenpolitischer Könner und innenpolitischer Reformer erwiesen.

Ein Dilemma der Übergangsdynamik in den ehemals sozialistischen Staaten scheint nun überwindbar: Auch die liberalen Vertreter der KPdSU waren diskreditiert, denn sie hatten ihr politisches Handwerk im alten Regime erlernt. In einem wirklich radikalen Wandlungsprozeß erschienen sie damit untragbar. Mit ihnen verschwanden aber auch jene Kompetenzen, die für eine effiziente Staatsführung notwendig gewesen wären. Es lag im Übergang nahe, Demokratie mit einer Herrschaft der Kämpfer für die Demokratie gleichzusetzen, und so ungewollt den Weg in eine neue Diktatur zu ebnen.

Die neuen Führer waren oftmals wortmächtige Persönlichkeiten, die in jahrelangen Verfolgungen jenen moralischen Kredit angesammelt hatten, über den die vorsichtigen Liberalen in den Fauteuils der Macht nicht verfügten. Aber die ehemaligen Dissidenten konnten meist weder ein Wasserwerk noch eine Wohnungsverwaltung organisieren — allerdings konnten die alten Kader das meist auch nicht übermäßig gut. Die neuen Führer hielten aber gute und mitreißende Reden, die die Herzen wärmten und die Bevölkerung zu heroischen oder weniger heroischen Taten ermunterten. Die Phase der Kundgebungsdemokratie mußte aber überall einmal zu Ende gehen.

Was den Nachfolgestaaten der Sowjetunion meist fehlte, waren also Personen, die erstens kompromißfähig sind, die zweitens das politische Handwerk beherrschen und die trotzdem — drittens — über moralische Substanz verfügen. Üblicher war und ist die Kombination von nur zweien dieser Eigenschaften: Kompromißfähigkeit und Können ohne moralische Substanz; moralische Substanz und politisches Können ohne Kompromißfähigkeit; moralische Substanz und Kompromißfähigkeit gepaart mit politischer Unfähigkeit.

Natürlich wird auch Eduard Schewardnadse keine Wunder vollbringen. Er wird die politische Vernunft aber durch seine integrativen Fähigkeiten ermuntern können — sofern es Gamsachurdia nicht gelingt, die Entwicklung umzukehren. Erhard Stölting