Genschman und die Linke

■ Die USA schwenken auf die deutsche Jugoslawienpolitik ein

Genschman und die Linke Die USA schwenken auf die deutsche Jugoslawienpolitik ein

In Deutschland wurde das Problem heruntergespielt, in Westeuropa und vor allem in Ex-Jugoslawien aber haben viele den Konflikt zwischen Deutschland und den USA registriert. Mit der Anerkennung Kroatiens und Sloweniens hatte sich die deutsche Außenpolitik erstmals als Motor erwiesen und dabei nicht nur Beifall geerntet. Die „Danke Deutschland“-Rufe in Kroatien klangen nicht nur SerbInnen in den Ohren, auch in England, Frankreich und vor allem in Washington wurden sie als Mißtöne empfunden. Erinnerungen an die Konstellationen des Zweiten Weltkriegs wurden wach, standen doch die „Mittelmächte“ Deutschland (+ Österreich), Ungarn, Italien und (im Hintergrund) die Türkei auf Seiten der Slowenen, Kroaten und Muslimanen gegen Serben, Griechen und die alten Allierten (richtig, alle vier). Das war angesichts der Möglichkeit der Ausweitung des Krieges — das Geflüster über jeweilige Waffenlieferungen an die Kriegsgegner wurde ja nicht leiser — mehr als nur eine süffisante Angelegenheit.

Als US-Außenminister Baker am Dienstag in Brüssel die Flagge wieder einrollte und auf die Anerkennungslinie Deutschlands einschwenkte, wurde dieser historisierenden Ideologisierung ein vorläufiges Ende gesetzt. Einerseits ist es die US- Einsicht in das Unvermeidliche, denn die diplomatische Anerkennung Kroatiens hat tatsächlich zur Beendigung der Kämpfe beigetragen. Andererseits deutet der Schwenk Bakers darauf, daß eine US- Außenpolitik in Europa sich schwerlich gegen den Willen der Mehrheit in der Europäischen Gemeinschaft stellen sollte — ist doch nur letztere und nicht die USA in der Lage, den politischen und ökonomischen Schaden auf dem Balkan wieder zu reparieren. Die Verhandlungsführung über den Friedensprozeß ist darüber hinaus wieder vom Washingtoner Außenministerium und dem UNO-Hauptquartier nach Brüssel zurückgekehrt.

Der Rückzieher der US-Administration hat zwar die EG und nicht zuletzt auch Deutschland politisch aufgewertet, doch markiert er keineswegs den Abschied von einer US-Europapolitik. Er macht jedoch deutlich, daß die Präsidententräume von einer neuen Weltordnung die eigenen Kräfte überschätzen. Daß sich die Bonner Außenpolitiker bestätigt fühlen, sollte sie allerdings eher dazu verleiten, zur Politik der leisen Töne zurückzukehren. Jetzt kommt es in der Tat vor allem darauf an, dem Friedensprozeß auf dem Balkan demokratische Impulse zu geben — auch in Kroatien. Und das ist ja nicht selbstverständlich. Anstatt die neue Rolle Deutschlands zu beklagen, muß die Linke lernen, sie als Tatsache zu begreifen und mit ihr umzugehen. Die Debatte darüber darf nicht verschlafen werden. Denn gerade an den demokratischen Impulsen wird die neue Rolle Deutschlands gemessen werden. Erich Rathfelder