Safer-Sex-Plakat beschlagnahmt

■ Das Landgericht Bielefeld ließ ein Aufklärungsposter der Deutschen Aids-Hilfe für Schwule konfiszieren/ Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses

Bielefeld/Berlin (taz) — Das Bielefelder Landgericht hat Ende Februar ein Safer-Sex-Plakat der Deutschen Aids-Hilfe (DAH) beschlagnahmen lassen. Das Plakat, das zwei Männer beim oralen Sex zeigt (siehe Foto), hing an der Eingangstür des Schwulenreferates der Bielefelder Universität. Der Beschlagnahme war ein monatelanger Streit mit Uni-Rektor Huvendick vorausgegangen, der das Schwulenreferat mehrmals aufgefordert hatte, das Safer-Sex-Poster freiwillig abzunehmen. Nachdem sich Huvendick nicht durchsetzen konnte, erstattete eine geschockte Lehrerin der benachbarten Laborschule Strafanzeige.

Das Plakat errege öffentliches Ärgernis und verstoße gegen das Verbot der Verbreitung pornographischer Schriften, befanden die Richter. Mit denselben Vorwürfen hat die Staatsanwaltschaft gegen den Schwulenreferenten des Bielefelders AStAs, Stefan Knocke, ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

„Es mag sein, daß dieses Plakat Pornographie ist, aber durch seinen Aufklärungsgehalt ist das gerechtfertigt,“ meint Friedrich Baumhauer, Vorstandsmitglied der Deutschen Aids-Hilfe. Um wirksame Aids-Aufklärung zu leisten, müßten Erotik und Sex offen dargestellt werden. Die Bielefelder Beschlagnahme verwundert Baumhauer vor allem deswegen, weil das inkriminierte Poster bereits vor zwei Jahren von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung genehmigt, finanziert und in einer Auflage von 10.000 Exemplaren auch in Bayern vertrieben worden ist. Beschwerden aus anderen Städten sind ihm nicht bekannt geworden. Aufklärungsmaterial der Deutschen Aids-Hilfe sei zuvor nur in Österreich, aber noch nie in der Bundesrepublik der Zensur zum Opfer gefallen, so Baumhauer. Allerdings weigere sich Gesundheitsministerin Gerda Hasselfeldt (CSU) sehr wohl, eine Neuauflage der freizügigen Broschüre Schwuler Sex. Sicher zu finanzieren. Präventionsmaterial für die schwule Lederszene müsse grundsätzlich aus eigener Tasche bezahlt werden, wenn S/M-Praktiken und Fistfucking darin zur Sprache kommen.

„Wir werden den Prozeß führen, es kann nur lächerlich werden“, erklärte der frühere Schwulenreferatschef Jens Blankmeister. Sein Nachfolger Stefan Knocke kündigte an, in der Uni neue Plakate der blasenden Männer aufzuhängen.

Sollte es zum Prozeß kommen, dürfte eine Frage besonders interessant werden: Bislang galten Darstellungen von nackten Männern nur dann als pornographisch, wenn sich darauf ein Penis mehr als 45 Grad nach oben reckt. Auf dem beschlagnahmten Poster ist der geblasene Schwanz allerdings fast vollständig im Mund des Liebhabers verschwunden. Micha Schulze