Chefredakteur, Strickmaschinist oder Honorarkonsul?

■ Wer die Nachrichtenagentur 'adn‘ übernehmen wird, ist weiterhin ungewiß — schlüssige Zukunftskonzepte fehlen noch

Investoren für eingeführte Nachrichtenagentur gesucht. Investitionsvolumen: fünf bis zehn Millionen Mark.

So könnte eine Kontaktanzeige für den 'Allgemeinen Deutschen Nachrichtendienst‘ ('adn‘), eines der letzten Relikte der DDR-Medienlandschaft, aussehen. Seit der Umwandlung in eine GmbH im Juni 1990 ist die Treuhand auf der Suche nach kapitalkräftigen Investoren. Anfängliches Interesse seitens anderer Nachrichtenagenturen hatte sich schnell zerstreut. Die 'Deutsche Presse- Agentur‘ ('dpa‘) wollte von der Belegschaft, die damals noch aus 1.350 MitarbeiterInnen bestand, nur knapp 30 übernehmen, und der Finanzier von 'ddp‘, der Düsseldorfer Medienkaufmann Boko Hoffmann mußte sich wegen „Verletzung der Treuepflicht“ gegenüber den Aktionären einer in Konkurs gegangenen Textilfirma vor Gericht verantworten.

Nachdem die Treuhand die verlockende 'adn‘-Immobilie, den „Zehnstöcker“ in der Mollstraße in Berlin-Mitte, aus dem Verkaufspaket herausgenommen hat und nun auch das wertvolle Bildarchiv dem Bundesarchiv in Koblenz zukommen soll, ist das Interesse der Privatinvestoren rapide gesunken. „Der Markt für Nachrichtenagenturen ist überbesetzt“, stöhnt ein Treuhand-Sprecher; trotzdem versuche man, 'adn‘ als leistungsfähige Nachrichtenagentur zu erhalten. Bis Ende dieses Monats will die Treuhand eine Entscheidung treffen.

Doch was dafür weiterhin fehlt, sind „entscheidungsreife Anträge“. Von wenigstens drei Interessenten weiß 'adn‘-Chefredakteur Matthias Wirzberger zu berichten. Einer davon ist der Chef selbst. Zusammen mit seinem Geschäftsführer Günter Hundro hat er bereits sechs Anträge für ein „management buy out“ vorgelegt, stieß damit bei der Treuhand allerdings auf „politischen Widerstand“. Sowohl Wirzberger als auch Hundro hatten bei 'adn‘, als dieser noch „aktuell und parteilich in Wort und Bild“ berichtete, leitende Positionen. Nach der Wende wurde Hundro, einst Auslandsredakteur, zum Generaldirektor bestimmt, und Wirzberger avancierte vom stellvertretenden Redaktionsleiter der Sonderredaktion zum Chefredakteur. Das Vertrauen der Belegschaft habe er sich erst „mühsam erarbeiten“ müssen. Die Treuhand hat er, mangels Kapitalkraft, aber nicht von der Selbstübernahme überzeugen können. Der aussichtsreichste Interessent für 'adn‘ ist zur Zeit der ehemalige Bonner FDP-Abgeordnete und Wirtschaftsprüfer Friedhelm Rentrop, der erste Erfahrungen mit dem Ostgeschäft als Aufsichtsratsvorsitzender der Chemnitzer „Elite Diamant — Fahrrad- und Strickmaschinen GmbH“ gesammelt hat.

Überhaupt scheinen besonders FDP-Politiker in 'adn‘ eine bevorzugte Anlagemöglichkeit zu sehen, denn auch der dritte Interessent kommt aus der Wirtschaftspartei: Seit neuestem ist der Westberliner Unternehmensberater Joachim F. Meier mit von der Partie. Der Werbefachmann besitzt die Unternehmensberatung JFM Marketing Services (30 MitarbeiterInnen) und den JFM-Verlag. Meier ist Herausgeber des Wirtschaftsmagazins 'Marktwirtschaft‘ (Druckauflage nach eigenen Angaben: 50.000). Das Magazin möchte Meier nun auch mit Hilfe der Moskauer Wochenzeitung 'Moskau News‘ in Rußland herausbringen. Der 'adn‘-Interessent hat auch schon als Honorarkonsul der westafrikanischen Republik Liberia und als Berater des Berliner Schlittschuh-Clubs Schlagzeilen gemacht.

Bislang, so Chefredakteur Wirzberger, habe Meier den Mitarbeitern jedoch noch kein Agenturkonzept vorgelegt. Bei ersten Gesprächen im vergangenen Jahr habe das Interesse Meiers auch mehr der Immobilie als der Agentur selbst gegolten.

Wirzberger unterstützt, wenn schon sein eigenes Aufkaufmodell nicht zum Tragen kommt, die Pläne von Friedhelm Rentrop, die eine Konzentration der Berichterstattung auf die fünf neuen Länder sowie die Republiken der GUS vorsehen. Genau da liegen schon jetzt die Stärken von 'adn‘. Während das alte KorrespendentInnennetz im Westen bis auf Brüssel und Washington zusammengestrichen wurde, wurde im Osten ausgebaut. 22 KorrenspondentInnen berichten aus Moskau, Prag, Warschau, Budapest, Sofia und Bukarest. 278 MitarbeiterInnen mit 60 Prozent des Westlohns beschäftigt die Agentur augenblicklich, wobei die Zahl bis Juni dieses Jahres auf unter 200 sinken soll. Dafür ist der Kundenkreis von einst 47 auf über 130 Abnehmer gestiegen, was für ein zuschußfreies Überleben trotzdem nicht ausreichen würde.

Sich „frei bildende Presseunternehmen“ dürfen aber in keiner Weise staatlich beeinflußt werden, das heißt, auch keiner Subventionen kassieren. Sollte Friedhelm Rentrop das Rennen machen, dann will er die Belegschaft am Unternehmen beteiligen. Fragt man allerdings einen 'adn‘-Redakteur nach dem Stand der Privatisierungsdiskussion, wird man bloß mit einem Schulterzucken bedacht. Davon, so eine Inlandsredakteurin, erfahre man auch nur aus der Zeitung. mail