„Großer Feldherr“ feiert „Mutter aller Schlachten“

■ Washington muß Alleinherrschaft Husseins weiterhin grollend hinnehmen/ Alternative ist bisher nicht in Sicht

Berlin (taz) — Ungerührt ließ Saddam Hussein zum Jahrestag des Kriegsendes die schmähliche Vertreibung seiner Truppen aus Kuwait als Sieg feiern. Im irakischen Fernsehen wird die „Mutter aller Schlachten“ als Beweis der heldenhaftigen Standhaftigkeit des Irak gegen den Rest der Welt gepriesen.

Trotz UNO-Embargo und Angriffsdrohungen aus Washington, London und Jerusalem feiert der „geliebte Führer der Nation“ und „große Feldherr“, Saddam Hussein, penetrantes Selbstbewußtsein. Er scheint weder einen Putsch noch einen erneuten Krieg um seinen Kopf ernstlich zu fürchten. Tatsächlich muß seine Herrschaft auch in Washington grollend hingenommenn werden. Ein Nachfolger, der nach einem Putsch oder Krieg den Irak als Gesamtstaat regieren könnte, ist weit und breit nicht in Sicht.

Die amerikanischen Hoffnungen auf hochrangige Militärs hat Saddam systematisch untergraben. Seit Kriegsende hält er die Armee noch stärker unter seiner Fuchtel als zuvor. Regelmäßig dringen Informationen über die Exekution oppositioneller Offiziere ins Ausland. Akribisch achtet er darauf, daß niemand vom Militär auch nur die Spur einer Hausmacht aufbauen kann. Offiziere, die das Vertrauen ihrer Untergebenen genießen oder prominent zu werden drohen, werden schleunigst in einflußlose Bereiche versetzt.

Schlüsselpositionen im Staatsapparat besetzte Saddam in den letzten Monaten systematisch mit seinen Verwandten. Sein Halbbruder Watban Ibrahim Al Hassan wurde Chef des inneren Geheimdienstes, ein weiterer Halbbruder, Sabawi Ibrahim Al Hassan Innenminister, und der als „Schlächter von Kurdistan“ berüchtigte Cousin Ali Hassan Al Madschid ist seit November Verteidigungsminister.

Die Loyalität traditioneller sunnitischer Stammesfürsten, die aufgrund familiärer Bindungen für Einflüsse aus Syrien oder Saudi-Arabien anfällig wären, sichert sich Saddam durch Bestechung. In irakischen Regierungskreisen heißt es, daß einige Stammesobere monatlich 10.000 Dinar aus Bagdad erhalten.

Die einfache Bevölkerung wird durch brutale Unterdrückung daran gehindert, ihren Unmut über die katastrophale Versorgungslage gegen die Führung zu richten. In den kurdischen Gebieten werden zunehmend Panzer konzentriert und aus dem schiitischen Süden dringen Horrorstorys über willkürliche Verhaftungen und Exekutionen.

Fünf Bombenanschläge sollen im Dezember in Bagdad ausgeführt worden sein. Augenzeugen vermuten allerdings, die Explosionen gingen auf das Konto der Sicherheitskräfte, die die blutigen Anschläge inszenierten, um anschließend die letzten Oppositionszellen zu vernichten.

Die Opposition außerhalb des Landes ist politisch, ethnisch und religiös zerstritten. Die Gräben zwischen Kurden, Schiiten, Linken und Nationalisten scheinen unüberbrückbar. Sollten sie nach einer wie auch immer gearteten Entmachtung Saddam Husseins im Irak das Sagen bekommen, würde das unweigerlich den Zerfall des Iraks in Teilstaaten bedeuten. Da im Rest der Welt die darauf folgende Destabilisierung der ganzen Region mehr gefürchtet wird als Saddam Hussein mit seinen verbliebenen Waffen, hat der irakische Herrscher guten Grund zum unverfrorenen Optimismus. Thomas Dreger