Die Internationale Artenschutzkonferenz in Kioto geht heute zu Ende: Streit um neue Wege beim Artenschutz
■ Der Streit darüber, ob Handelsverbote geeignet sind, aussterbende Tier- und Pflanzenarten zu retten, bestimmte die...
Streit um neue Wege beim Artenschutz Der Streit darüber, ob Handelsverbote geeignet sind, aussterbende Tier- und Pflanzenarten zu retten, bestimmte die Artenschutzkonferenz. Die Schwarzbären können jedenfalls aufatmen. Die Konferenz beschloß gestern überraschend, den Handel mit ihnen zu verbieten. Tropenhölzer werden dagegen nicht geschützt.
AUS KIOTO GEORG BLUME
Alle drei Jahre trifft sich die Menschheit, um über das Schicksal der übrigen Lebewesen zu beraten. Dann tagt, wie dieses Jahr in Kioto, die Internationale Artenschutzkonferenz CITES und beschließt, wer von den Mitbewohnern dieser Erde überleben darf und wer nicht. CITES, zu deutsch das „Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen“ soll bedrohte Arten schützen. Doch die Menschen denken lieber ans Essen. So auch die Gastgeber in Kioto, die japanische Regierung: Sie verteidigte nicht die vom Aussterben bedrohten Rotflossenthunfische, sondern diejenigen, die diesen Luxusfisch zu Höchstpreisen vermarkten. CITES konnte sich — trotz umfangreichen Zahlenmaterials über das nahende Ende der Art — der japanischen Lust am Fischfang nicht widersetzen.
„Hätte CITES den Handel mit Thunfischen kontrollieren wollen“, seufzte gestern erleichtert der japanische Regierungssprecher Nobutoshi Akao, „dann wäre das eine politische Affäre gewesen. Die bleibt uns jetzt erspart.“
Auch die menschlichen Vorstellungen von Gesetz und Ordnung können den Interessen der Tiere entgegenstehen. Amerikaner und Kanadier fochten in Kioto gegen eine internationale Handelskontrolle für Bären, weil ihnen die bundesstaatlichen Regelungen zum Bärenschutz genügten. „Administrativ“, bemerkte ein kanadischer Delegierter, „würde uns ein Veto von CITES einfach zu viele Mühen kosten.“ Den Mühen aber werden die USA und Kanada nicht entkommen, nachdem das CITES-Plenum am Donnerstag überraschend den nordamerikanischen Schwarzbären unter Handelsschutz stellte.
Für viele Menschen bedeutet der Artenschutz einen zu hohen Profitverzicht. Die südafrikanischen Staaten baten in Kioto um Erlaubnis, ihre wertvollen Lagerbestände von Nashorn-Hörnern verkaufen zu können, auch wenn damit das weltweite Handelsverbot für die annähernd 7.000 überlebenden Nashörner auf der Welt unter den Tisch gefallen wäre. So weit kam es aber nicht in Kioto. Der Vorschlag der südafrikanischen Staaten wurde mit großer Mehrheit abgelehnt.
Doch die strengen Artenschützer der Naturschutzverbände, die in Kioto als Beobachter den Regierungsdelegationen aus 112 Staaten auf die Finger schauten, waren mit den Ergebnissen der zehntägigen Konferenz unzufrieden. „Wir haben den Status quo bewahrt“, resümiert John W. Grandy, Vizepräsident des amerikanischen Naturschutzverbandes Humane Society, „aber wir haben nichts dazugewonnen.“ Der Status quo: Damit war in Kioto vor allem das totale Handelsverbot für Elefantenprodukte gemeint. Vor drei Jahren, auf der CITES-Konferenz in Lausanne, hatten sich die Tierschützer durchgesetzt: Der Elefant wurde in den Anhang Eins der CITES-Konvention aufgenommen. Im Anhang Eins sind die unmittelbar von der Ausrottung bedrohten Arten eingetragen, deren kommerzielle Nutzung grundsätzlich verboten ist.
Gegen diese Regelung für Elefanten liefen in Kioto die Länder aus dem südlichen Afrika Sturm. „Uns ging es ums Prinzip“, rechtfertigt Clive Stockil, Vorsitzender des Vereins für Safari-Veranstaltungen in Simbabwe, die Proteste seiner Regierung. „Die Menschen in unserem Land müssen von der Wildnis leben. Unser Ökosystem verträgt nicht so viele Elefanten, wie wir sie heute haben.“ Tatsächlich bezeichnen Naturschutzorganisationen wie der World Wide Fund for Nature (WWF) die Vorsorge zum Elefantenschutz in Simbabwe als vorbildlich. Dort habe die Zahl der Elefanten in den letzten Jahren so stark zugenommen, daß Dorfbewohner darunter zu leiden hätten.
Simbabwe hatte deshalb gemeinsam mit vier Nachbarländern beantragt, die Elefantenpopulationen im südlichen Afrika auf Anhang Zwei von CITES zurückzustufen. Für die Arten auf Anhang Zwei ist eine geordnete wirtschaftliche Nutzung unter wissenschaftlicher Kontrolle zulässig. Doch die Konferenz in Tokio schmetterte auch diesen Antrag ab (zu den Gründen siehe Interview).
Trotz der Abstimmungsniederlagen bei den Nashörnern und Elefanten gelang es der stimmgewaltigen Delegation aus Simbabwe, den Tenor der Konferenz in Kioto zu bestimmen. Bis zum nächsten CITES- Plenum sollen nun auf Antrag der Afrikaner neue Kriterien für den Artenschutz erfaßt werden, die nicht mehr nur wie bisher auf den Erkenntnissen der Biologen über den Populationsbestand einer Art und den Handelsberichten der Zollbehörden beruhen. Geklärt werden soll damit die Schlüsselfrage, die alle Flurgespräche in Kioto beherrschte: Kann der Handel und das Geschäft dem Artenschutz nützlich sein?
Ist es also ganz falsch, immer nur Handelsverbote auszusprechen, wie das CITES bisher macht? Ausgerechnet die Gründerorganisation von CITES, nämlich der WWF und die World Conservation Union (IUCN), ein internationaler Zusammenschluß von Naturschutzverbänden und Regierungsbehörden, fordern ein grundsätzliches Überdenken des Artenschutzes. „Wir befinden uns mit CITES in einer Sackgasse“, erklärt Amie Bräutigam, die Artenschutzexpertin von IUCN. „Nur den Handel zu verbieten, nützt nichts. Wir brauchen neue, innovative Formen des Artenschutzes, die auch den Verbrauchernutzen berücksichtigen.“
Ins gleiche Horn stößt der Delegationsleiter des WWF in Kioto, Peter Kramer. Er kann sich eine Welt nicht vorstellen, die sich in Schutzgebiete für Tiere und Nutzungsgebiete für Menschen aufteilt. Sogenannte „dezentrale Tiernutzung“ beispielsweise von Elefanten wie Zuchtprogramme, Tourismusentwicklung, sogar kontrollierte Jagden auf bedrohte Tiere, soweit sie eine gesunde Balance zwischen Mensch und Tier fördern — das alles sind Ideen der Naturschützer von WWF und IUCN. Sie stoßen insbesondere bei Regierungen in der dritten Welt auf viel Gehör.
Diejenigen, die Profit und Artenschutz unter einen Hut bekommen wollen, haben eine neue Formel ausgegeben: Sie sprechen vom Imperativ der „nachhaltigen Nutzung“, bei welcher der Natur nur so viel genommen wird, wie sie selbst wieder reproduzieren kann.
„Wir kennen keinen Fall bei einer bedrohten Art“, entgegnet dazu Peter Püschel, der Delegationschef von Greenpeace in Kioto, „wo der Handel diese Art geschützt hat. Trotz allem Gerede liegen nachhaltige Nutzungslösungen für einzelne Arten nicht auf dem Tisch.“ Die Skepsis von Greenpeace teilt auch der Leiter der deutschen Delegation in Kioto, Gerhard Emonds: „Der Erlös aus dem Handel“, befindet der Beamte des Bonner Umweltministeriums, „darf nicht zum Kriterium für den Artenschutz werden.“ In einem solchen Fall sähe Emonds den Grundgedanken von CITES, nämlich die Bewahrung aller Arten, ausgehöhlt.
Die Ergebnisse von Kioto zeigten, wie weit der Weg zur Einlösung der CITES-Zielsetzung immer noch ist. Die dänische und niederländische Regierung zogen ihren Antrag auf Handelskontrolle der vielgehandelten südostasiatischen Tropenhölzer Ramin und Merbau zurück. Grund für das Umschwenken waren der Widerspruch Malaysias und Unstimmigkeiten innerhalb der dänischen und niederländischen Regierung. Nicht zuletzt hatten die jeweiligen Wirtschaftsministerien Einspruch erhoben. Die deutsche Delegation hätte den Antrag unterstützt.
Verhindert wurde auch die Einschränkung des Handels mit Wildvögeln aus Afrika und Südamerika, von denen die Hälfte schon beim Transport stirbt. Auch konnte Japan seine Vorbehalte für einige unter Anhang Eins gestellten Walarten aufrechterhalten. „Wir haben in Kioto viele Niederlagen eingesteckt“, meint John W. Grandy, der amerikanische Artenschutzlobbyist.
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