: Sexy Dessous für „Super Women“
■ Dicke Frauen kommen endlich aus dem Modeabseits / Nie wieder zeitlose Kittelkleider
„Miss Molly“ wollte die Modedesignerin Elin-Astrid Becker ihr Geschäft für „die andere Mode in großen Größen“ wirklich nicht nennen. „Dicke Frauen haben keinen Grund sich zu verstecken,“ findet sie — und deshalb heißt ihre schicke Modeboutique an der Domsheide selbstbewußt „Super Women“.
Ab Kleidergröße 44 aufwärts tragen auch ihre Verkäuferinnen, denn „welche dicke Frau will sich schon ausziehen, wenn vor der Umkleidekabine eine Größe 36 steht?“ Hier gibt es in den Umkleidekabinen übrigens endlich mal so richtig viel Platz zum Anprobieren. Für die edlen Stoffe in knalligen Farben, pfiffige Schnitte und witzige Accessoires aus Beckers eigenem Atelier muß frau allerdings tief in die Tasche greifen: 469 Mark kostet zum Beispiel ein schicker wollweißer Leinenblazer — und ein leichter Sommermantel ist für 749 Mark zu haben.
Wer solche Summen nicht auf den Ladentisch blättern kann, hat neuerdings auch Alternativen. „Ulla Popken — Neue Mode ab Größe 42“ bietet seit knapp einem Jahr auch in Bremens City Schickes für Dicke zu erschwinglichen Preisen. „Wir wollten mit unserer Mode und unseren Preisen ganz normale Sterbliche erreichen, die bisher ins Modeabseits gedrängt wurden,“ erzählt die Filialleiterin Hannelore Nitz. „Für mich ist das die richtige Emanzipation, wenn man sich so annimmt, wie man ist und sich nicht das Leben von der Waage diktieren läßt.“ Viele Kundinnen hätten sich vorher noch nie richtig modisch anziehen können, denn ab Größe 44 böten die Kaufhäuser lediglich zeitlose Kittelkleider. In normalen Boutiquen werden dicke Kundinnen mit verächtlichen Blicken und einem kurz angebundenen „Ihre Größe führen wie nicht“ abgefertigt. Bei „Super Women“ gibt es dagegen immer wieder erstaunte Blicke von verirrten 36er-Kundinnen, wenn plötzlich ihnen dieser Satz entgegenschallt.
Sexy Unterwäsche in Seide und Spitzen sind der große Renner geworden. „Wir waren auch überrascht, aber Unterwäsche ist ein ganz großes Thema bei uns“, sagt „Junge Mode ab 42“-Filialleiterin Nitz. Auf den Modemessen ist die Unterwäschenhalle aber immer noch eine Männerdomäne — Männer denken sich aus, was Frauen „drunter“ zu tragen haben. „Diese Männer finden sexy Unterwäsche für dicke Frauen immer noch eine Unverschämtheit,“ erzählt Designerin Becker von ihren Messebesuchen.
Kein Thema ist Unterwäsche in Größen ab 42 für das Modehaus Hennes & Mauritz, das mit seiner neuen Kollektion „Big is Beautiful“ in dieser Saison zum ersten Mal Kleidung für dicke Frauen anbietet. „Unterwäsche in großen Größen — das würde einfach zu weit führen,“ findet die Bremer Geschäftsführerin des als dickenfeindlich bekannten Modehauses, Ulrike Weidemann. „Unser Angebot ist auch nicht speziell für Dicke, sondern auch für die ganz großen Frauen.“ Ein Blick in den Werbeprospekt „Big is Beautiful“ kann die Berührungsängste mit dicken Frauen nur bestätigen: Groß und schlank sind die Fotomodelle für die Konfektionsgrößen bis 52 nach wie vor.
Das könnte auf den Modeschauen von „Super Women“ nicht passieren: Am 2.April präsentieren Mitarbeiterinnen und Kundinnen von Elin-Astrid Becker im Parkhotel deren neueste Kreationen zum wiederholten Mal am eigenen Leib. „Wir sind keine spindeldürren Modelle,“ sagt die Verkäuferin Erika Bienek, „wir tragen alle ab Größe 46 und stehen zu unseren Pfunden.“ Für die Kundinnen, die als Modelle an der Modeschau teilnehmen wollen, gibt es sogar eine Warteliste.
Und wo bleiben die dicken Männer? „Kanzler Kohl mit seiner Kleidergröße 64 könnten wir in unserem Haus problemlos einkleiden,“ freut sich Verkäufer Englisch vom Herrenfachgeschäft Finke, „und noch größere Größen können wir jederzeit innerhalb einer Woche nachbestellen.“
Silke Mertins
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