Der Traum von der idealen Matratze

■ »Die« beste Matratze gibt es nicht: Auch reine Schaumstoffmatratzen brauchen nicht schlecht zu sein, doch der Trend geht eindeutig in Richtung Natur/ Auch bei Natur-Werkstoffen ist Vorsicht vor den Versprechungen der Hersteller angebracht

Berlin. Auf Matratzen kann man auch schlafen. Und damit fangen die Probleme an. Seitdem Omas dreiteilige ausgedient hat und der gute, alte Strohsack auch nicht mehr so beliebt ist, will die Wahl der Schlafunterlage wohl überlegt sein. Die Werbung hilft dabei: Rückenprobleme? Wir schaffen Abhilfe! Allergiker? Doch nicht bei unseren Produkten! Müde und abgeschlafft am Morgen? Probieren sie es doch mal mit der Natur! Was also tun, wenn die alte Matratze ausgeleiert ist und eine neue her muß. Und zwar die beste.

Schließlich verbringt der Mensch ein Drittel seines Lebens im Bett, eine Matratze soll mindestens fünfzehn Jahre halten und gesund soll sie auch sein. Man wird ja nicht jünger. Doch paradiesischer Schlaf ist nicht billig, unter 500 DM ist kaum etwas vernünftiges zu bekommen. Nach oben hin gibt es sowieso keine Grenzen, da braucht es den Rat eines Fachmannes.

Deshalb: Die alte Faustregel »je härter, desto besser für den Rücken« im Kopf, Besuch bei Peter Dirk, Wohnberater der Verbraucherzentrale. »Quatsch«, sagt der, »stimmt schon lange nicht mehr«. Auch harte Unterlagen können schlecht sein und kommen deshalb nur für bestimmte Leute in Frage. Das hat nicht nur etwas mit dem Schlafkomfort zu tun, das Brett im Bett muß nicht unbedingt das gesündeste für die geschädigten Bandscheiben sein. Dirk, mehrmals am Tag mit dieser Frage konfrontiert, weiß es besser. »Wichtig ist die Punktelastizität.« Im Klartext: Schulter- und Beckenbereich sind die Hauptauflageflächen und drücken sich am stärksten in das Material ein. Ist das zu hart, wird die Wirbelsäule nicht genügend abgestützt. Das ist spätestens am nächsten Morgen zu spüren.

Besser ist da schon, das eigene Körpergewicht mit einzuberechnen. Die alte Faustregel darf laut Matratzen-Fachmann Dirk abgeändert werden in »je schwerer, desto härter« — ohne dabei aber die Elastizität zu vergessen. Damit kann schon mal für viele Menschen eine Strohkern-Matratze, die auf der Bio-Welle wieder zu neuen Ehren kam, ausgeschlossen werden. Die ist ziemlich hart und unnachgiebig, einmal eingelegene Dellen bleiben für immer. Auch herkömmliche Federkernmodelle sind mit Vorsicht zu genießen. Die miteinander verbundenen Metallfedern bewegen sich bei Druck gemeinsam auf und ab, die Wirbelsäulen-unterstützende Wirkung unterbleibt. Also nachgiebigeres Material verwenden, davon gibt es genug. Natur- und Kunstlatex, Kokosfasern, Roßhaar, Schurwolle und Schaumstoffüllungen sind im Handel, die verschiedenen Materialien werden zudem untereinander kombiniert.

Reine Schaumstoffmatratzen sind dabei — für den Rücken — nicht unbedingt das schlechteste. Je nach Dichte der Füllung sind sie mehr oder weniger weich, mehr oder weniger nachgiebig und können so individuell den Bedürfnissen angepaßt werden. Ihr großer Nachteil: sie sind ein rein chemisches Produkt, ihre Herstellung ist zudem umweltbelastend — also — nichts für das Schlafzimmer. »Die meisten lehnen Schaumstoff heute ab«, meint Wohnberater Dirk, »der Trend geht eindeutig in Richtung Naturprodukte.« Die Nachfrage in einem Charlottenburger Fachgeschäft — das seine Matratzen übrigens selbst herstellt — bestätigt dies. Nur etwa zehn Prozent des Umsatzes werden hier noch mit den Kunstmatratzen erzielt, der Rest mit Schlafunterlagen aus natürlichen Rohstoffen.

Momentaner Verkaufsschlager sind Füllungen aus latexierten Kokosfasern umgeben von einer Schicht Roßhaar. In diesem Produkt sind die meisten Vorteile vereinigt: Die Latex-Kokos-Füllung ist fest und elastisch zugleich, die Roßhaare können wegen ihrer guten Feuchtigkeitsaufnahme rheumalindernd wirken. Naturmaterialien sind es obendrein, doch unter Umständen kann das nur für das Gewissen gut sein. Die Geschäftsführerin des Charlottenburger Ladens verbürgt sich zwar für die verwendeten Rohstoffe (»wir kennen unsere Lieferanten seit Jahren«), doch immer und in jedem Fall möchte sich Wohnberater Dirk nicht auf Unbedenklichkeitserklärungen verlassen.

Er beruft sich auf Untersuchungen, in denen gerade bei Kokosfasern und Stroh Schadstoffbelastungen durch Pestizide nachgewiesen wurden. Bei Roßhaar und Schurwolle kann dies ebenfalls nicht ganz ausgeschlossen werden. Keine Garantie, daß der Inhalt unbedingt mit der Deklaration übereinstimmen muß, zeigt auch eine im 'Ökotest‘- Magazin veröffentlichte Untersuchung. Auch aus »rein natürlichen« Materialien hergestellte Matratzen können Zusätze von Schaumstoff enthalten, teures Roßhaar wird mit billigen Kokosfasern gestreckt, Schurwolle mit Reißwolle und Synthetics vermischt. Bei Latex ist es ähnlich. Schon bei der Herstellung von Naturlatex werden Zusatzstoffe benutzt, zur Stabilisierung kann Kunstlatex beigemischt werden. Der Anteil muß zwar deklariert werden, doch kontrollieren kann das letztendlich keiner. Bleibt das Fazit von Wohnberater Dirk. »Genau hinschauen und nicht alles glauben.« Die oft gestellte Frage nach der besten Matratze mag er auch nicht mehr hören — die gibt es nämlich einfach nicht. Theo Weisenburger