Konjunktur für die Tricks der Wohnungsvermittler

■ Wie Trittbrettfahrer der Wohnungsnot hilfesuchende Mieter ausnehmen/ Wo die Zahl der Wohnungssuchenden steigt, wächst auch die Zahl der Bauernfänger und der miesen Tricks/ Die meisten Opfer schämen sich, zur Polizei zu gehen/ Auch Mieter nehmen Mieter aus, vor allem im Ostteil

Berlin. Wohnungsnot: Zeit für Aufschneider und Betrüger, die per Kleinanzeige so tun, als stünde ihnen leerstehender Wohnraum zur Vermietung hektarweise zur Verfügung. Wo sich Wohnungssuchende auf die Füße treten, ist genug zu verdienen — auch illegal.

Die Makler-Firma Global-Finanz sitzt unauffällig in einem Neuköllner Versicherungsbüro. Sie ködert per Annonce in Tageszeitungen Wohnungssuchende, indem sie scheinbar preiswerte Mietwohnungen anbietet. Der Haken an der Sache: Man muß, bevor ein Maklervertrag geschlossen wird, für 150 DM eine Computeranalyse »kaufen«. Mit diesen recht umfangreichen Informationen über die Vermögensverhältnisse des Wohnungssuchenden wird ihm dann ein Konzept zur Finanzierung von Wohnungseigentum untergeschoben. Gleichzeitig erhält die Firma kostenlos die Daten des Wohnungssuchenden, die sie für ihre Marktforschung benutzt. Der »Vermittler« verlautbart ganz ungeniert, daß er sowieso nicht garantieren könne, daß der Bewerber in den nächsten drei Wochen eine Wohnung vermittelt bekäme. Also, warum nicht gleich eine Eigentumswohnung kaufen? Daß der Trick mit der untergeschobenen Computeranalyse nicht ganz legal ist, ist der Firma natürlich klar, oder weshalb vermeidet sie es peinlichst, auch nur eines ihrer Antragsformulare der Öffentlichkeit preiszugeben?

Neben solchen Haien tummeln sich auch kleinere Fische auf dem Wohnungsmarkt. Denn ohne Schmiergeldzahlungen ist heute kaum noch an eine Wohnung heranzukommen. Die an Straßenbäumen und Laternen angebrachten Anzeigen »Suche Wohnung — zahle Belohnung« haben spätestens seit Anfang der achtziger Jahre die Praxis eingeführt. Wer sich bestechen läßt, sei es ein Wohnungsvermittler oder auch der Hausmeister, der gegen Entgelt ein »gutes Wort bei der Hausverwaltung einlegen will«, wird auch dafür sorgen, daß es keine Quittungen gibt. Und der Bewerber wird sich, in der Hoffnung, als zukünftiger Mieter genehm zu sein, darauf einlassen. Und selbst dann, wenn der Wohnungsaspirant sich eine Quittung hat ausstellen lassen, ist in den meisten Fällen das Geld weg. Es ist nämlich so gut wie ausgeschlossen, zwischen dem kassierenden Vermittler und dem Hauseigentümer oder -verwalter ein Beschäftigungsverhältnis oder ähnliches nachzuweisen. Nur dann jedoch ist eine Provision illegal.

Die Varianten betrügerischer Vereine, Firmen oder Privatpersonen, per Vorauskasse an das Geld der Bewerber heranzukommen, sind vielfältig. In manchen Fällen wird einfach die Dummheit oder Bequemlichkeit der Wohnungssuchenden ausgenutzt, indem man ihnen für teures Geld Namen und Anschriften der öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften und privaten Anbieter auflistet, die sie auch aus dem Telefonbuch hätten abschreiben können.

So schritt die Kripo — schon vor einiger Zeit — ein, um der Schwindelfirma »O.V.A. Anlageberatung« in Mitte das Handwerk zu legen. Diese Firma überreichte Wohnungssuchenden ein Formular, einen Fragebogen und die Geschäftsbedingungen. Gleichzeitig verlangte die O.V.A ein Honorar von 150 Mark. Die Kunden wurden auch noch ausdrücklich darauf hingewiesen, daß dies kein Maklervertrag sei. Demnach war die Firma auch nicht verpflichtet, überhaupt Wohnungen zu vermitteln. Die Ratsuchenden bekamen denn auch nur einen Computerausdruck mit Anschriften von Hauseigentümern und Wohnungsbaugesellschaften sowie mit Werbung über Geldanlagen und Lebensversicherungen.

Erst diese Woche flog ein Fall auf, in dem zwei Männer in einem Büro unter dem Label »Arbeit-Wohnen- Versicherung« zumeist türkische Wohnungssuchende reinlegten. Die beiden schalteten Wohnungsanzeigen im türkischen Kabelfernsehen. Interessenten mußten jedoch erst einmal 2.000 Mark im voraus bezahlen, eine Wohnung sah niemand. Schließlich verlangten mehrere der Mieter in spe ihr Geld zurück und bekamen von den beiden auch noch ungedeckte Schecks. Die Polizei machte dem Spuk ein Ende.

Allzu häufig kommt es aber nicht vor, daß die Polizei eingeschaltet wird. Die meisten Mieter schämen sich nämlich, als Opfer zur Polizei zu gehen, vor allem dann, wenn die Summen, die sie verloren haben, gering sind, hieß es bei der Kripo. Andererseits fürchten die Mieter Sanktionen, falls sie zwar geschröpft, aber trotzdem noch Mieter der Wohnung geworden sind.

Gar nicht so selten ist es übrigens, daß Mieter andere Mieter ausnehmen. Vor allem Untermieter im Ostteil der Stadt können ein Lied davon singen. So bekam eine wohnungssuchende Frau ein Zimmer in Lichtenberg von elf Quadratmetern für 375 Mark zur Untermiete angeboten. Einige Wohnungsbaugesellschaften haben wegen solcher Machenschaften Strafanzeigen gegen ihre Mieter gestellt, berichtet die Kripo.

Besonderes Unglück widerfuhr einer Frau, die von der Firma Stampeco eine Wohnung in der Linienstraße in Mitte mietete — für 880 Mark im Monat zuzüglich Kaution und Provision. Nachdem sie auch noch 10.000 Mark in die Wohnung gesteckt hatte, stellte sich heraus, daß die Räume tatsächlich der örtlichen Wohnungsbaugesellschaft gehören. Die Stampeco war lediglich eine illegale Untermieterin. Nun will die Wohnungsbaugesellschaft Mitte der Frau kündigen. Christiane Hohensee