Unterm Strich

Da haben wir sie wieder, endlich! Ehedem aus unerfindlichen Gründen der elektronischen Doppelt- und Dreifachsicherung dem Louvre entkommen, in unsichtbarer Pose geduckt und so entwischt — war das disparate Vierergespann Hieronymus Bosch, Jan von Kessel, Adrien Brouwer und Louis Le Nain (summa summarum 1450 bis 1680) vor einer Woche in Frankreich bei dem Versuch festgenommen worden, sich meistbietenst an den Mann zu bringen. Der Hintermann und Drahtzieher dieses überaus waghalsigen und zehn Jahre währenden Fluchtversuchs, ist dingfest gemacht. Es handelt sich um Jean-Marie Borel-Leandri, ein korsischer Architekt. Der Heilige Christophorus, Die Wassertiere, Die Kartenspieler sind samt der Belebten Landschaft wieder in festem Gewahrsam. Die Besucherzeiten entnehmen Sie bitte der französischen Tagespresse.

Kant, Hermann fühlt sich unterschätzt. Mit Händen und Füßen wehrt er sich gegen jene Treulosen, die vergessen haben, daß er, Kant, seinerzeit für Karl May das Kriegsbeil gegen die DDR-Kulturverantwortlichen ausgegraben hat. „Wir haben die Tür aufgestoßen, wo Leute Ohnmachtsanfälle kriegten“, erklärte Kant jüngst in schlechtem Deutsch im Dresdner Haus der Begegnungen. Wer „Wir“ ist, sagte er nicht. Die Anwesenden ('dpa‘) war dabei und konnte in konspirativer Weise in Erfahrung bringen, es handele sich um „verbitterte alte Einheitssozialisten“) mögen es ihm verzeihen. Wie erfreute er dereinst mit seinem „Abgespann“- Erinnerungen und den Predigten von der Kanzel des „Neuen Deutschlands“.

Silent screams — difficult dreams“, das phantasmomethamorphologische, synästhetischaspirierende Werk des belgischen Genies Jan Fabre wird — wenn nicht zur Eröffnung, so zum Rausschmiß aus der documenta 92 — in Kassel uraufgeführt. Der Intendant des Staatstheaters, Michael Leinert, konnte sich mit Fabre erst nach diffizilsubliminfantilen, megalomanen Zeitengpässen nun ultimativapproximativ auf den 14. bis 20. September einigen.

Ein klarer Fall von Übereifer und Überidentifikation: Jürgen Flimm, Regisseur und Intendant am Hamburger Thalia-Theater, erklärte seinen Austritt aus der Berliner Akademie der Künste, die bekannterweise unter massenhaften Austritten prominenter Mitglieder, insbesondere der Fraktion bildender Künste, zu leiden hatte, seitdem sich die Mitgliederversammlung für den Vorschlag ihres Präsidenten Walter Jens ausgesprochen hatte, die Kollegen der Ostakademie en bloc aufzunehmen und die Akademien fusionieren zu lassen. Der Solidaritätsakt Flimms machte Staunen. Denn, so Senatskulturpressesprecher Rainer Klemke, Flimm ist nie Mitglied der Berliner Akademie am Hanseatenweg gewesen. „Insofern kann sein jetzt erklärter ,Austritt‘“, schreibt Klemke, „allenfalls als dankenswerter Hinweis darauf gewertet werden, daß er eigentlich von seiner künstlerischen Bedeutung her schon lange Mitglied hätte gewesen sein müssen.“ Es kommt noch kryptischer: Klar ist, wer nie drin war, kann auch nicht austreten. Aber er kann auch nicht so einfach eintreten: „Da er (Flimm) wegen der bislang nicht vorhandenen Mitgliedseigenschaft nicht von der im Staatsvertrag vorgesehen Wiedereintrittsregelung Gebrauch machen kann, werden erst die Mitglieder der künftige Berlin-Brandenburgischen Akademie über eine Wahl Flimms zu entscheiden haben.“ Die Kulturschaffenden wirken zur Zeit doch alle recht geschafft!

Auch die Berliner Akademie der Künste teilte mit, daß Flimm kein Mitglied gewesen sein. Flimm soll vielmehr im Juli 1990 von der Akademie der Künste der ehemaligen DDR zu ihrem Mitglied gewählt worden. „Sie nahmen die Wahl an — keine Berührungsängste vor Künstlern, die bereits unter dem SED-Regime einen Sitz in der Akademie hatten“, schrieb jetzt Präsidialsekretär Loer an den Hamburger Theatermann. Flimm habe sich auch der „Erneuerungswahl“ der Ostberliner Akademie am 9. Dezember 1991 gestellt und sei bestätigt worden. Am 13. Dezember 1991 ist er dann aus der Ostakademie „wegen Hermann Kant“ ausgetreten.

Die Straßburger Oper will die seit zwanzig Jahren währende Kooperation mit dem Badischen Staatstheater Karlsruhe auf Eis legen. Der neue Intendant Laurent Spielmann will die zur „Gewohnheit“ gewordene Zusammenarbeit, die durchaus finanzielle Vorteile bringe, auf ihren künstlerischen Wert hin überprüfen. Für den kommenden Spielplan wurde kein Austausch geplant. Spielmanns künstlerisches Konzept für die Straßburger Oper divergiert vom behäbigeren Karlsruher Modell: Ereignisoper statt Konsumtheater, überwiegend aus Premieren und wenigen Wiederholungen bestehend. In Karlsruhe bleiben die Stücke über mehrere Spielzeiten im Repertoire. Die Wiederholungsaufführungen büßten auf Dauer an Qualität ein, meinte Spielmann. Ein struktureller Unterschied: In Frankreich werden die Sänger nur für eine Produktion engagiert, in Deutschland haben sie Festengagements und werden häufig in verschiedenen Rollen eingesetzt. Spielmanns Ereignisoper ist kostspielig: Die Vorstellungen der Rheinoper sind aufgrund der sehr viel höhereren Eintrittspreise nur mäßig besucht.