Südafrikas Rechte vor der Zerreißprobe

Beim Referendum am nächsten Dienstag geht es auch um die Existenz der ultrarechten CP/ Haßtiraden gegen de Klerk und den ANC  ■ Aus Johannesburg Hans Brandt

„Wollt ihr Mandela als Präsident?“ „Nein!!“ — „Wollt ihr eine kommunistische Regierung?“ — „Nein!!“ — „Wie werdet ihr im Referendum abstimmen?“ — „Nein!!“ Um ihre Meinung endgültig zum Ausdruck zu bringen, haben die meisten der 1.500 Menschen im Johannesburger Stadtsaal am Montag auch noch Aufkleber an der Brust: „NEIN“ prangt da in großen schwarzen Lettern. „Dr. No“, Andries Treurnicht, Führer der ultrarechten Konservativen Partei (CP), kann sich hier wohl fühlen. Diese Leute sind nicht gekommen, um überzeugt zu werden, sondern um ihm ihre Unterstützung zu demonstrieren. „Kaa Pie Kaa Piee Kaa Pie“ donnert im Sprechchor die afrikaanse Abkürzung des Parteinamens durch den Saal.

So gehen die Ultrarechten im Kampf um das Referendum nächsten Dienstag auf Stimmenfang: mit Emotionen, lautstark, oft rabiat. Da werden keine ausgeklügelten politischen Argumente vorgetragen, keine eigenen Programme dargestellt. Statt dessen geht es darum, den politischen Gegner, die Nationale Partei (NP) anzugreifen und schlecht zu machen. „Ihr und der ANC seid wie siamesische Zwillinge,“ ruft Treurnicht der NP zu. Damit setzt er eine alte NP-Waffe selbst ein: die Angst vor dem Afrikanischen Nationalkongress, seit Jahrzehnten von NP-Regierungen im weißen Volk geschürt. Der ANC, das ist der Feind, das sind die Kommunisten, die Antichristen.

So werden die Reformpolitiker der NP als „Satanskinder“ verflucht, als Verräter des weißen Volkes dargestellt. Und die Vorwürfe des Verrats sind leicht zu belegen. Immerhin haben Präsident Frederick De Klerk und seine Partei bis vor drei Jahren selbst jeden Kontakt mit dem ANC ausgeschlossen, der Welt und ihren Sanktionen getrotzt, die Weißen zum Durchhalten aufgerufen. Jetzt sitzen sie mit dem ANC am Verhandlungstisch.

„Jedes 'Ja' ist eine Stimme für den ANC.“ Damit werde die politische Zukunft der Weißen verschenkt. „'Nein', das bedeutet eine zweite Chance um eine neue Regierung zu wählen, um die NP zu ersetzen.“

De Klerk hat versprochen, zurückzutreten und neue Parlamentswahlen abzuhalten, wenn er das Referendum verlieren sollte. Das, so die CP, würde den Weißen mehr Zeit lassen, sich die genauen Konsequenzen der De Klerkschen Reformpolitik zu überlegen. Der Slogan von der „zweiten Chance“ ist der wohl zugkräftigste der CP. Denn die Weißen sind verunsichert. Nach Jahrzehnten der Sicherheit deutlicher Feindbilder hat die rapide Umkehr durch die Reformpolitik bisher keine klare Alternative präsentiert. Lediglich die Hoffnung auf internationale Akzeptanz, auf Frieden und Wirtschaftswachstum kann die De Klerks NP präsentieren.

Für die CP ist das Referendum von entscheidender Bedeutung. Der Aufruf zur Abstimmung hatte die Partei Mitte Februar überrascht. Es dauerte Tage, bis sie sich zur Teilnahme an der Abstimmung entschloß. Seitdem hat sich aber im ultrarechten Spektrum eine breite Allianz gebildet, die diese untereinander zerstrittenen Gruppierungen bisher nicht hatten erzielen können. Die Neonazis der „Afrikaaner Widerstandsbewegung“ (AWB) arbeiten mit der CP zusammen, ebenso andere, kleinere Parteien.

Sollten die rechten Ultras die Abstimmung gewinnen, würde diese Allianz wohl halten. Bei einem klaren Gewinn der „Ja“-Stimmen ist andererseits eine Spaltung der CP zu erwarten. Es gibt Leute in der CP, die an den Verhandlungen des „Konvents für ein demokratisches Südafrika“ (Codesa) teilnehmen wollen, um dort ihre Forderung nach einem exklusiv weißen Staat durchzusetzen. Sie könnten die Partei verlassen, wenn das Referendum zugunsten des Verhandlungsprozesses ausfällt. Der Rest der Partei würde dann wohl in die außerparlamentarische Opposition abdriften. Das bedeutet als ersten Schritt zivilen Widerstand gegen eine schwarze Regierung, letztlich auch Gewaltanwendung.

Wie hoch das Gewaltpotential ist, zeigen verschiedene Vorfälle im Wahlkampf der letzten Tage. Ein Tränengasangriff gegen De Klerk; Feuer in einem Saal, in dem der Präsident am Freitag auftreten sollte; Brandstiftung in einer Unterkunft für obdachlose schwarze Kinder, bei der acht Kinder starben; zwei Bomben in NP-Parteibüros im Norden der Provinz Transvaal.

Die NP-Werbekampagne hat versucht, die Verbindungen zwischen CP und AWB auszunützen. „Gratis mit jeder CP-Stimme — die AWB und all das, wofür sie steht“, warnt eine Anzeige, bebildert mit einem vermummten und bewaffneten AWB-Kämpfer. Aber viele Beobachter bezweifeln die Wirkung solcher Anzeigen. Angst vor dem ANC und den Kommunisten, das ist seit Jahren eingeübter Reflex. Angst vor dem Terror weißer Extremisten ist der weißen Bevölkerung fremd.

Während die NP anfangs siegessicher wirkte, glauben viele Beobachter inzwischen, daß ein sehr knappes Ergebnis wahrscheinlicher ist. „Ein ,Nein‘ Ergebnis, oder zumindest ein unklares ,Ja‘ Ergebnis, ist eine Möglichkeit, die nicht mehr ausgeschlossen werden kann“, kommentierte der Johannesburger ,Star‘, die größte Tageszeitung des Landes, am Mittwoch. Beim CP-Wahlkampf am Montag in Johannesburg wird der Sieg geübt. „Darf ich vorstellen,“ sagt der Vorsitzende, „der zukünftige Präsident Südafrikas, Andries Treurnicht.“ Ohrenbetäubender Applaus. Schwere Männer winken mit kleinen CP-Fähnchen. Der Saal dröhnt: „Kaa Pie Kaa Piee Kaa Pie.“