STANDBILD
: Nägel ohne Köpfe

■ "Das Kreuz mit den Christen", Freitag, 22.00 Uhr, ARD

Zu den wenigen Lichtblicken im Werk Werner Herzogs zählt jene Szene aus Aguirre, in der ein Indianer von einem Missionspriester die Bibel mit dem Kommentar überreicht bekommt, das Buch enthalte das Wort Gottes. Der Heide ist offen für diese Angelegenheit und hält die Heilige Schrift an sein Ohr. Auf die Bemerkung, daß das Buch ja gar nicht rede, wird er vom Priester auf der Stelle erstochen.

Doch das Fernsehzitat über die Ausprägungen des christlichen Heilsgedankens bricht vor der Meuchelszene ab: Im entscheidenden Augenblick wird das Logo der Sendereihe Gott und die Welt eingeblendet. Dem an Bildung interessierten Fernsehzuschauer reicht schließlich der metaphorische Gehalt des Dargestellten. Daß wir hinterher immerhin noch den Priester sehen dürfen, wie er mit den Worten „Es ist ein hartes Geschäft! Diese Wilden sind schwer zu bekehren!“ den blutigen Säbel abwischt, ist da schon ein gewagtes Zugeständnis an die Freiheit der Kunst.

Gegen dieses trotz allem vorzüglich gewählte Intro fielen Roshan Dhunjibhoys „heidnische Betrachtungen“ im Ganzen leider ab. In einer kulturjournalistisch gediegenen Abfolge von Interviews und eingesprochenen Reflexionen rekonstruiert die Autorin ein Bild des Christentums, das in den sechziger Jahren wahrscheinlich noch für heftige Diskussionen gesorgt hätte.

Heute, da hinlänglich bekannt ist, daß die Geschichte des geheiligten Splatters eine Abfolge von makabren Details, wie den Rüstungsgeschäften des Vatikans, den Kreuzzügen und der Reliquien-Anbeterei ist, erscheint es unklar, welche Stoßrichtung der Beitrag eigentlich einnehmen soll.

Hören wir unterdessen professionelle Bibelübersetzer, die Stein und Bein (und Möller) darauf schwören, daß nur ihre Schwarte das Wort des Vierbuchstabigen enthalten würde (nicht etwa der Koran), so gewinnen wir daraus vor dem Hintergrund, daß das Glaubensmonopol ihre wirtschaftliche Grundlage bedeutet, einen gewissen Unterhaltungswert. Doch ging es allein darum, den Unterhaltungswert einer Demontage des Christentums zu steigern, hätte man noch andere Formen der „Bibelhermeneutik“ zitieren müssen.

In der gesendeten Form jedenfalls war der Fundamentalrundumschlag gegen falschen Glauben, Seelen- und Bauernfängerei nicht spezifisch genug, um der Diskussion einen Anlaß zu bieten. Zudem sind die Christen mit ihrer Magengeschwür-Maxime, die andere Wange hinzuhalten, zu geschickt, um von einer derartigen Kritik getroffen zu werden. Vielleicht hätte man mehr über die Versorgungslage auf dem Seelenmarkt, den Handel mit metaphysischen Grundbedürfnissen, sagen sollen. Manfred Riepe