Zum Einkauf nach Neubrandenburg

Beim Frauenhandball-Supercup lauern westliche Einkäufer auf osteuropäische Stars  ■ Von Ole Richards

Neubrandenburg (taz) — Mecklenburg-Vorpommern behält eines der exklusivsten Turniere der Frauenwelt — darauf kann man inzwischen ein ganze Werft wetten, die es hier bald wohl nicht mehr geben wird. „Supercup“ heißt der Traum der Theoretiker der deutschen Handballelite, die ab 1992 getreu dem männlichen Vorbild nur noch Olympiasieger und Weltmeister zum Turnier der Turniere einladen wollen. „Unfug“, nennen die Praktiker der Mecklenburg-Vorpommerschen Handballbasis diesen Vorschlag, weil sie viel lieber auch Exoten ins Norddeutsche locken würden „Japan zieht hier mehr Zuschauer an als ein Ex-Weltmeister Ungarn“, weiß Organisator Rainer Wendelsdorf um die Rolle eines Publikumslieblings, „am allerliebsten wären mir die Bahamas“, verrät er, wohlwissend um die Bedeutungslosigkeit dieses Landes in einem Supercup. Aber den gibt es nun — in Neubrandeburg.

„Da wollen wir doch auch den anderen Nestern des Nordens mal ein Spektakel bescheren“, dachten sich dann wohl wieder die Theoretiker der DHB-Elite und beglückten Wismar, Rostock und das völlig verschlafene Strasburg mit Vorrundenspielen. „Voll daneben“, grinsen die Praktiker der nordostdeutschen Handballbasis schmerzverzerrt. Keine Zuschauer, keine Stimmung, kein Geld in den Vorspielorten. In Rostock kamen zwar dreitausend Kinder, die eifrig alle Bälle beklatschten, aber sie brachten eben nur Begeisterung und keine Moneten ins Turnierbudget.

„Wie kassieren hier die Bandenwerbung und die Eintrittsgelder“, rechnet Organisator Wendelsdorf vor, „und das reicht nicht.“ Zu Hilfe eilt der Deutsche Handball-Bund in Form seiner Marketinggesellschaft. Die sicherte sich schnell den Verkauf der Fernsehrechte an mehrere Stationen und machte damit ein gutes Geschäft. Wenn's ums Geld geht, können eben selbst Theoretiker ganz praktisch denken.

Das gelang DHB-Vizepräsident Kreyenmayer bei der Spielplanung wiederum nicht. Rumäniens Frauen kamen nach ihrem Vorrundenspiel aus Wismar erst um ein Uhr im Hotel an und führen um 6.30 Uhr wieder los, nach Rostock zum nächsten Match. „Das stört uns nicht“, lächelt trotzdem Bogdan Macovei: „Wir spielen hier nur und gewinnen, die Zeit ist dabei egal.“ So durchkreuzte Turniersieger Rumänien respektlos jede Spielplanwirtschaft und gewann seine Begegnungen unbemerkt am Vormittag.

Dabei unterschieden die rumänische und die deutsche Frauschaft mindestens zwei Dinge. Während sich das Balkanland mit einem dreiköpfigen Funktionärsstab aus Trainer, Arzt und Journalist begnügte, präsentierten sich die Deutschen aufgebläht mit Delegations- und Mannschaftsleiter, Bundes- und Co-Trainer, Physiotherapeuten, Arzt und Videobeobachter. Während sich die Rumäninnen die erste Nacht wegen vorzeitiger Ankunft unkompliziert zu siebt pro Zimmer um die Ohren schlugen, mußte für die deutschen Frauen umgebucht werden. Man hatte sie unmenschlicherweise in Dreibettzimmer stopfen wollen.

Den Turniersieg verdankt Rumänien aber nicht der Zimmerbelegung, sondern vor allem Marianna Tirca. Die 29jährige Linkshänderin hatte in Neubrandenburg ihren 1.083 Länderspieltoren so viele hinzugefügt, daß sie zur Torschützenkönigin gekrönt wurde. Für eine ganz bestimmte Menschengruppe im Publikum war jedoch ein ganz bestimmter Fakt von grenzenloser Bedeutung: Marianna Tirca hat in Rumänien keinen Verein und darf in den Westen.

So waren sie alle gekommen: Bremen und Lützellinden, Buxtehude und Leverkusen, Rostock und Leipzig. Die Nobelklub des deutschen Frauenhandballs geierten nach weiterer Verstärkung. Das rumänische Juwel Tirca stach besonders dem SC Leipzig ins Auge, der als bester Ostverein in die Play-Offs der Bundesliga gehen wird und bisher ohne Ausländerinnen auskam. Das soll sich nun ändern.

„Es gehört doch schon zum guten Ton, eine Russin oder Ukrainerin zu verpfichten“, meint GUS-Trainer Alexander Tarassikov. Er mußte selbst auf seinen Superstar Morskova verzichten, weil sie in Spanien von ihrem Verein keine Freigabe erhielt. „Nach den olympischen Spielen wird mein Team verkauft“, weiß der Nationalcoach uns sieht es trotzdem positiv: „Zu den Bundesligamanagern in Deutschland habe ich ein gutes Verhältnis. Wir reden miteinander. Gegen ihr Geld kann ich sowieso nichts machen.“ Sagt er und verschweigt, daß er als Nationaltrainer kräftig Provisionen einstreicht. Tarassikow beäugt den Ausverkauf der osteuropäischen Handballelite dennoch auch mit Trauer: „Früher gaben die UdSSR, DDR, CSFR und andere dem Frauenhandball Beispiele für hervorragende Jugendarbeit. Diese Wurzeln sind bereits zerstört.“ So gint der ehemalige Jugendtrainer aus Krasnodar dem Frauenhandball in Osteuropa noch fünf Jahre — dann ist Ausverkauf.

Die Geschäftsleute aus der deutschen Bundesliga haben den Spaß am Einkaufen teilweise bereits verloren, Als der Handballklub Rostock die Moskauer Spielerin der GUS, Jelina Gusewa, verpflichten wollte, lehnte sie überlegen lächelnd mit dem Hinweis ab, längst Kontakte zu einem spanischen Verein zu pflegen. Franzosen, Norweger und Italiener steigern mittlerweile finanzkräftig um Ungarinnen, Jugoslawinnen, Ukrainerinnen oder Russinen: Die Spielerinnenbörse hat Hochkonjunktur.

Tabelle: 1. Rumänien 7:1 Punkte/104:97 Tore, 2. GUS 6:2/92:85, 3. BRD 6:2/81:76, 4. Norwegen 3:5/85:80, 5. Ungarn 2:6/89:92, 6. Frankreich 0:8/65:86.

Rumänien — Frankreich 33:26, GUS — Frankreich 22:17, BRD — Norwegen 17:15;