Ende des Vermittlermythos

■ Die Rolle Wolfgang Vogels muß neu bewertet werden

Ende des Vermittlermythos Die Rolle Wolfgang Vogels muß neu bewertet werden

Der frühere SPD-Chef Hans-Jochen Vogel hatte recht, als er vor Wochen bemerkte, der in Ost und West allseits geschätzte DDR- Unterhändler Wolfgang Vogel könne für die „rigorosen und teilweise brutalen Regelungen“ im SED- Staat nicht zur Verantwortung gezogen werden. Sein persönliches Handeln hat Wolfgang Vogel allerdings zu verantworten. Als Vertrauter Honeckers für „humanitäre Fragen“ verhandelte er — in einem ausgesprochen diffizilen Grenzbereich — über den Freikauf Zigtausender DDR- Häftlinge, den Austausch aufgeflogener Agenten und die Ausreise von Hunderttausenden DDR- Bürgern. Daß sich hinter den Worten „humanitäre Fragen“ reiner Menschenhandel verbarg, kann dem 66jährigen als Person nicht angelastet werden. Er war in erster Linie Verbindungsmann für eine Staatsführung, die — das wirtschaftliche Desaster vor Augen — nicht einmal vor dem devisenträchtigen Verkauf der eigenen Bevölkerung zurückschreckte. Die einzige echte Alternative wäre gewesen, daß die Bundesregierung ihre Beziehungen zum Anwalt abgebrochen und auf den Freikauf der DDR-Bürger verzichtet hätte. Doch weder die CDU- noch die SPD-geführten Regierungen in Bonn hatten daran ein Interesse. Und Vogel selbst legitimierte seine Tätigkeit nach dem Motto, daß einer schließlich die Arbeit tun muß.

Nach den jüngsten Aussagen von Erich Mielkes Büroleiter bröckelt allerdings das Bild des seriösen Unterhändlers. Es sind weniger die Vorwürfe, Vogel habe sich persönlich bereichert, seine Mandanten erpreßt und sei selbst Stasi-Mitarbeiter gewesen, die zu einer Neubewertung seiner Rolle führen müssen: Es sind die Berichte, wonach Vogel weniger als Mittler zwischen den deutschen Staaten, sondern vielmehr als verlängerter Arm des Repressionsapparates handelte. In den Fällen, in denen Vogel konkret eine Erpressung seiner Mandanten vorgeworfen wird, muß sich erst noch herausstellen, ob er im eigenen (Bereicherungs-)Interesse, oder aber nur im Korsett der Stasi-Zwänge gehandelt hat. Ungeachtet der Frage, ob Vogels Verhalten justiziabel ist oder nicht: durch die ausgesprochene Nähe zum Stasi-Boß Mielke ist der Mythos, er habe ausschließlich im humanitären Interesse und für die Betroffenen gearbeitet, gründlich zerstört. Wer sich zum Professor von Honeckers Gnaden befördern ließ, war über die Rolle des „neutralen Mittlers“ längst hinaus. Wolfgang Gast