Freispruch für Totalverweigerer

Madrid (taz) — Der Minister sieht schwarz für die Zukunft Spaniens. Wenn dieses Beispiel Schule mache, könne eines Tages auch einer auf die Idee kommen, terroristische Morde an Kindern durch Verweis auf das Gewissen der Terroristen zu rechtfertigen und damit straffrei zu bleiben, giftete er empört. Anlaß für die Wut des spanischen Justizministers Tomas De la Quadra war ein Gerichtsspruch, in dem der Totalverweigerer, Inaki Arredondo Garcia, freigesprochen wurde. Der 23jährige Christ hatte in einem Brief an die Zivildienstbehörde erklärt, Zivildienst reproduziere die militaristischen Schemata des Militärdienstes. Er werde durchgeführt, weil die Finanzpolitik den militärischen Ausgaben Vorrang vor den sozialen gäbe. Darüber hinaus würden durch den (praktisch kostenfreien) Zivildienst professionellen Sozialarbeitern Arbeitsstellen entzogen. Deshalb weigere er sich den Zivildienst anzutreten. Der Verweigerer hatte in den vergangenen Jahren in verschiedenen sozialen Einrichtungen freiwillig mitgearbeitet.

Die Zivildienstbehörde ließ sich von der Argumentation des Verweigerers nicht beeindrucken und übergab die Angelegenheit dem Gericht. Hier sollte die vom Gesetz vorgesehene Mindeststrafe von zwei Jahren und vier Monaten Knast verhängt werden. Dem Richter José Luis Calvo hingegen leuchteten die angeführten Gründe ein. Die persönliche Würde stehe über den Verwaltungsnormen, heißt es in der Urteilsbegründung. Die Nichterfüllung der Pflicht (des Zivildienstes) sei als einziger Ausweg erschienen, eine Verletzung der Würde des Angeklagten zu vermeiden.

Es war das erste Urteil in Spanien, in dem ein Totalverweigerer freigesprochen wurde, obgleich in den vergangen Jahren mehrere Gerichte niedrigere Strafen als die eigentllich vorgesehen verhängt hatten. Das Gesetz über den Zivildienst ist erst 1984 in Kraft getreten, und erst in den vergangenen Jahren wurden Zivildienstplätze geschaffen. Sowohl Militär, als auch Zivildienst sind in Spanien ausgesprochen unpopulär. Darüber hinaus gibt es ein hohe Zahl von Deserteuren. Daß der schäumende Justizminister einen Pazifisten mit einem einem kindermordenen Terroristen gleichsetzt, hat sogar in den Reihen der rechten „Volkspartei“ (PP) Ablehnung ausgelöst. Der Abgeordnete der Linkskoalition Izquierda Unida, Antonio Romero, kommentierte, der Minister habe damit seinem Nachnamen Ehre gemacht. De la Quadre heißt: Aus dem Stall. Antje Bauer