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Weichenstellung für „Jäger 90“?

■ Heute berät eine eigens eingerichtete Koalitionsarbeitsgruppe über das Schicksal des millionenschweren Jägers/ Hardthöhe laßt sich den Flieger als billige Lösung bescheinigen/ Gesamtrechnung noch unterm Tisch

Bonn (taz) — Wenn heute die Bonner Koalitionsarbeitsgruppe „Jäger 90“ über die Zukunft des teuersten Rüstungsprojekts in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland berät, wird immerhin eine Weichenstellung zu erwarten sein. Mit einer endgültigen Empfehlung für oder gegen die Beschaffung des Kampffliegers rechnet vorerst niemand. Sie soll aber noch vor der parlamentarischen Sommerpause fallen. Die sechs Abgeordneten von CDU, CSU und FDP wollen „die verschiedenen Möglichkeiten für ein neues Jagdflugzeug, ihre Kosten, ihre technischen Fähigkeiten sowie die militärischen Anforderungen und die benötigten Stückzahlen“ erörtern. Grundlage der Beratungen ist eine vom Bundesverteidigungsministerium verfaßte Vergleichsstudie, in dem das Lieblingskind von Hardthöhe und bundesdeutscher Luftfahrtindustrie am besten abschneidet. Mit einem von ihr auf 105 Millionen Mark bezifferten Stückpreis, so die Hardthöhe, sei der „Jäger 90“ preiswerter als Konkurrenten wie der französische „Rafaele“ (122 Millionen) oder die in den USA geplante F-22 (196 Millionen). Die mit 74,5 Millionen Mark weit billigere MIG-29 der Russen genüge den Leistungsanforderungen nicht. Die in der Studie für die Abgeordneten genannte Zahl 105 Millionen Mark — oder selbst die 112 Millionen, die vergangene Woche intern im Hause Stoltenberg genannt wurden — erfüllen den Tatbestand des Parlamentsbetruges. Genauso wie der zu Beginn der „Jäger 90“-Planungen behauptete Stückkostenpreis von 65 Millionen, mit dem die Hardthöhe seinerzeit die Bewilligung von über sieben Milliarden Mark Entwicklungskosten durch die CDU/ CSU/FDP-Mehrheit im Bundestag erreichte. Weder die Kosten für die Ausrüstung des Flugzeugs mit Raketen (Lenkflugkörper) noch die Nutzungsaufwendungen sind in die Berechnungen mit einbezogen worden. Hierfür kalkuliert die Hardthöhe intern einen Mehrbedarf von 35 Milliarden Mark. Diese Summe soll erst auf den Tisch von Haushalts- und Verteidigungsausschuß, wenn die Entscheidung für die Anschaffung des „Jäger 90“ gefallen ist. Berücksichtigt wurde auch nicht die Stückpreisverteuerung, die sich aus der Reduzierung von ursprünglich 250 auf 200 „Jäger 90“ ergibt. Experten, die schon zu Beginn der Planungen einen Stückpreis von 100 Millionen vorausgesagt hatten, rechnen jetzt mit mindestens 150 Millionen. Andreas Zumach

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