Häftlingshändler Vogel verhaftet

■ Der Ex-DDR-Unterhändler und Anwalt Wolfgang Vogel wurde am Freitag verhaftet/ Verdacht der Nötigung und Erpressung/ Die Stasi-Anbindung des Advokaten war enger als vermutet

Berlin (dpa/taz) — Tausenden von Häftlingen und Bürgern, dazu unzähligen geschnappten Agenten hat er zu DDR-Zeiten die Freiheit erhandelt — zum Stasi-Tarif. Jetzt sitzt der ehemalige deutsch-deutsche Unterhändler Wolfgang Vogel selbst im Knast: Am Freitag abend wurde der Ex-Anwalt in seiner Villa in Teupitz bei Berlin festgenommen. Tatvorwurf: Nötigung und Erpressung ausreisewilliger DDR-Bürger. Bis in die Morgenstunden des Samstag filzten Fahnder Vogels Wohnung und Büro. Ein Ermittlungsrichter bestätigte dann am Samstag den Haftbefehl wegen Fluchtgefahr. Offenbar fürchteten die Fahnder, mögliche Fluchtgedanken Vogels könnten durch die Aussagen des früheren Stasi-Generalmajors Hans Carlsohn über die engen MfS-Verbindungen des Anwalts Auftrieb erhalten.

Carlsohn, langjähriger Büroleiter des Stasi-Ministers Erich Mielke, hatte am Donnerstag vor dem Schalck-Ausschuß berichtet, Anwalt Vogel sei bei Mielke ein- und ausgegangen, habe vom Stasi-Minister auch öfters Geschenke für seine „Verdienste“ erhalten. Vogel habe das volle Vertrauen des MfS besessen. Die offizielle „Verbindung“ zu dem Anwalt habe Stasi-Oberst Heinz Volpert gehalten. Als „Offizier für Sonderaufgaben“ war der im Mielke-Sekretariat zuständig für den „humanitären Bereich“. So wurde in Mielkes Haus sarkastisch der devisenträchtige Menschenhandel mit geschnappten Agenten, politischen Häftlingen und ausreisewilligen Bürgern bezeichnet. Gleichzeitig war Volpert der Führungsoffizier von Alexander Schalck-Golodkowski. Schalck und Vogel, so Carlsohn, hätten sich gut gekannt und zusammengearbeitet. Schließlich war Schalcks Schattenreich „Kommerzielle Koordinierung“ (KoKo) verantwortlich für die Einnahmen aus dem sogenannten „B-Geschäft“, wie der Menschenhandel KoKo-intern hieß.

Auf ein enges Verhältnis zwischen Schalck und Vogel läßt auch der Umstand schließen, daß Schalck kurz vor seiner spektakulären Flucht im Dezember 1989 seine berühmten Koffer mit Geheimakten ausgerechnet bei Vogel deponierte. Undurchsichtig ist noch, welchen offiziellen Status Wolfgang Vogel im MfS genoß. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, daß Vogel entgegen seiner eigenen Darstellung seit 1954 Mitarbeiter der Stasi war. In den Unterlagen des Schalck-Ausschusses findet sich ein Verfassungsschutz-Bericht über die Aussagen eines ehemaligen Stasi-Mannes, wonach in Vogels Kanzlei nur handverlesene MfS- Leute gearbeitet hätten und Vogel selbst Offizier im besonderen Einsatz (OibE) gewesen sei. Davon wollte der fühere Mielke-Diener Hans Carlsohn allerdings nichts wissen. Er brachte die Abgeordneten mit der Aussage zum Schmunzeln, Vogel selbst habe einst seine vorgeschlagene Ernennung zum Stasi-Offizier abgelehnt und gebeten, statt dessen zum Professor berufen zu werden. Laut Carlsohn hat Vogel aber stets das volle Vertrauen des MfS genossen. Volperts Ehefrau habe in Vogels Kanzlei gearbeitet. Laut Haftbefehl ist der 66jährige Ex- Anwalt Vogel dringend verdächtig, ausreisewillige DDR-Bürger genötigt zu haben, ihre Grundstücke oder Häuser an Stasi-Leute und andere „von der Regierung Begünstigte“ abzugeben. Er soll Ausreisewillige auch dazu veranlaßt haben, sich mit hohen D-Mark-Summen aus der DDR selbst freizukaufen. Nach Polizeiangaben soll der Tarif zwischen 120.000 und 150.000 Mark gependelt haben. Der Haftbefehl legt Vogel 18 konkrete Erpressungsversuche zur Last. An die 2.000 Fälle, in denen Vogel möglicherweise auf seine Mandanten Druck ausübte, müssen noch geprüft werden.

Nach Angaben der Berliner Justizsprecherin Jutta Burghart vom Samstag hat der Ermittlungsrichter eine Fluchtgefahr Vogels nicht zuletzt deshalb bejaht, weil der Anwalt über erhebliche Geldbeträge verfüge, deren Verbleib noch nicht geklärt sei. In der Vergangenheit hatte Vogel stets alle Vorwürfe energisch zurückgewiesen. Mielke-Adjutant Carlsohns Angaben über seine Stasi- Connections hatte er als „Quatsch“ abgetan. Seine Anwaltszulassung für West-Berlin hat Vogel im Sommer 1991 von sich aus zurückgegeben, aus Altersgründen, wie er selbst erklärte, womöglich aber auch, um eine Überprüfung seiner Zulassung zu erübrigen. Denn angeblich waren auch hier Stasi-Finger im Spiel. Während seiner Karriere hat Vogel als Unterhändler des SED-Regimes über den Freikauf von insgesamt 34.000 Häftlingen und die Ausreise einer Viertelmillion (!) DDR-Bürger sowie in zahlreichen Fällen über Agentenaustausch mit Stellen der Bundesrepublik verhandelt. thosch