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Chaos, Altlasten und Intrigen in der Schweriner Koalition

■ Die Werftenfrage bot vor allem Anlaß, den CDU-internen Machtkampf in Mecklenburg-Vorpommern zu verschärfen; der Sturz Gomolkas löst die Krise nicht

Die Werftenprivatisierung war Auslöser der Regierungskrise in Schwerin. Der Streit der CDU-Kampfhähne im Schweriner Schloß dauerte aber schon länger als die Auseinandersetzung in der Werftenpolitik. Justizminister Ulrich Born hatte sich mit zunehmender Unterstützung in den eigenen Reihen zum Wortführer der Gomolka-GegnerInnen gemacht. Deshalb steuerte Alfred Gomolka mit Borns Entlassung zielstrebig auf seinen eigenen Rücktritt zu.

Daß die Werftenfrage vor allem Anlaß bot, den CDU-internen Machtkampf zu verschärfen, zeigen die Positionen der Kontrahenten, die so eindeutig nie waren, wie sie öffentlich präsentiert wurden. Noch am Dienstag hatten Born und der jetzt als aussichtsreichster Gomolka- Nachfolger gehandelte Diederich im Kabinett dem von Gomolka und dem Koalitionspartner FDP unterstützten Treuhand-Kompromiß zugestimmt, nach dem die Wismarer Werft und das Rostocker Dieselmotorenwerk an die Bremer Vulkan AG und die Neptun- Warnow-Werft in Rostock und Warnemünde an die norwegische Kvaerner-Gruppe verkauft werden sollen. Öffentlich forderten die beiden Minister mit der Mehrheit der CDU- Fraktion im Rücken ab Mittwoch jedoch wieder die „große Verbundlösung“ — also den Verkauf aller Werften an Vulkan — für die auch die SPD eintritt und die WerftarbeiterInnen auf die Straße gehen.

Die CDU-FDP-Koalition in Schwerin stand von Anfang an auf wackligen Beinen. Nur mit der Stimme eines fraktionslosen Abgeordneten und Ex-SPDlers hat die Regierung eine hauchdünne Mehrheit. Um den Mann zu binden, verschaffte Gomolka ihm den gutdotierten Posten des Bürgerbeauftragten. Bereits im Frühjahr 1991, knapp ein halbes Jahr nach Regierungsantritt, stimmten die FDP und mindestens ein CDU-Abgeordneter gegen einen von Gomolka ausgetüftelten Nordostdeutschen Rundfunk.

Die CDU schlug sich mit Altlasten aus der DDR-Vergangenheit und mit einem halben Dutzend Stasi- ZuarbeiterInnen in den eigenen Reihen herum. Gomolka hatte mit dem Rostocker Hans-Joachim Kalendrusch einen Repräsentanten des alten Systems in die Staatskanzlei geholt, der in zwielichtige Immobiliengeschäfte verwickelt war. Aber auch Innenminister Diederich beschäftigte Altlasten: allerdings aus dem Westen. So wurde der ehemalige Barschel-Vertraute Volker Pollehn bei ihm Staatssekretär.

Die Schweriner SPD hält die zerstrittene Koalition, in die zudem über Krause von Bonn aus hineinregiert werde, schon längst nicht mehr für handlungsfähig. Auch mit den jetzt neben Diederich ins Spiel gebrachten Nachfolgekandidaten, dem Generalsekretär der Landes-CDU, Bernd Seite, und dem Stralsunder Oberbürgermeister Harald Lastovka, änderte sich nichts am Chaos in der Regierung. Die Gangart allerdings, mit der in Schwerin Politik gemacht wird, dürfte aber zumindest unter Diederich härter werden. Trotz seines Engagements gegen das SED-Regime während der Wende gehört er zur „Law and Order“-Fraktion der Konservativen und vertritt eine rigide Asylpolitik.

Käme es zu Neuwahlen, die auch von den WerftarbeiterInnen gefordert werden, hätten SPD, Bündnis 90 und die Grünen gute Aussichten auf eine Mehrheit. Bei der Landtagswahl errangen die Bürgerbewegten knapp zehn Prozent, kamen aber nicht in den Landtag, weil sie sich nicht auf eine gemeinsame Liste einigen konnten. Ein erstes Gespräch zwischen den GenossInnen und Bündnis-90- VertreterInnen gab es am letzten Freitag. Bettina Markmeyer

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